Ein paar Tage Licht
konnten bis Tagesanbruch warten, es dann allein durch den Wald versuchen, auf dem Pfad, den sie gekommen waren. Die Frage war, wie lange Madjer durchhielt. Er sah auf seinen rechten Jackenärmel hinab, seine Hand, die nass waren von Madjers Blut.
»Sie entscheiden«, sagte Madjer.
Eley zuckte mit den Schultern. Es gab keine Optionen, wenn er wollte, dass Madjer am Leben blieb.
Er stand auf. »Schließen wir einen Pakt mit dem Teufel.«
Der Teufel ließ nicht lange auf sich warten.
Sie waren kaum zehn Minuten am Waldrand unterwegs, als Eley einen Schatten wahrnahm. Er ging auf ihrer Höhe, parallel zu ihnen, keine zehn Meter entfernt.
Ein zweiter tauchte auf, ein Stück vor dem ersten.
»Sie sind da.«
Madjer war halb weggedämmert, schrak hoch.
»Lassen Sie mich nicht im Stich«, sagte Eley.
Sie blieben stehen. Madjer sagte etwas auf Algerisch. Die Stimme eines dritten Mannes antwortete. Er kam von hinten auf sie zu, Sturmgewehr in der Armbeuge, ein massiger Mann in Camouflagehose, langem schwarzem Hemd, das Haupthaar kurz, halblanger Bart.
Erst sprach Madjer. Der Mann hörte reglos zu, die Augen halb geschlossen. Natürlich wussten die Dschihadisten längst, was geschehen war, hatten den Angriff vielleicht sogar beobachtet. Einmal wanderten seine Augen zu Eley, Madjer sprach über ihn, der Mann fragte nach, schien mit der Antwort zufrieden. Dann entspann sich ein längerer Wortwechsel, unaufgeregt, fast freundlich. Eley hatte den Eindruck, sie feilschten, und er behielt recht.
Fünftausend Dollar, berichtete Madjer, erschöpft nach Luft ringend. Dazu Lebensmittel, fünfzig Kilogramm. Der Arzt werde sich darum kümmern.
»Gut«, sagte Eley, fragte nicht nach, kommentierte nicht. Auch militante Islamisten sprachen Französisch.
Der Anführer wandte sich nach einem knappen Befehl um und verschwand in der Dunkelheit. Sie setzten den Abstieg fort, geführt von einem der beiden anderen, der zweite ging hinter ihnen.
Eley neigte den Kopf zu Madjer. »Wissen die, wer ich bin?«
»Dann würden fünftausend nicht reichen«, flüsterte Madjer und lächelte verzerrt. Er habe gesagt, Eley sei ein zum Islam konvertierter französischer Sympathisant der Bewegung. Ein Revolutionär von Herzen gegen das korrupte, moralisch verseuchte Marionettenregime in Algier.
Auch Eley musste schmunzeln. Ein deutscher Beamter, in der Kabylei zum Revolutionär geworden.
Wenige Minuten später sank Madjer auf die Knie. Mit einem traurigen Lächeln schüttelte er den Kopf. Er konnte nicht mehr.
Die beiden AQM -Männer waren stehen geblieben, erwiderten Eleys Blick teilnahmslos. Sie würden nicht helfen.
Er hockte sich hin, Madjer kroch auf seinen Rücken. Die ersten Meter taumelte Eley mehr, als dass er ging, dann hatte er Madjer zurechtgeschoben, das Gleichgewicht gefunden.
»Ich schulde Ihnen viel«, murmelte Madjer.
»Sie schulden mir Richter.«
»Vielleicht mein Leben.«
»Bezahlen Sie in Antworten.«
»Auf was für Fragen?«
»Was soll vor Montag geschehen? Was wollten Sie von Richter wissen? Hat es mit den MRG 45 zu tun? Ist Soudani deswegen gestern Abend nach Deutschland geflogen? Soll in Deutschland etwas passieren, Madjer? In meinem Land? Na los, tragen Sie Ihre Schuld ab, Sie werden sich danach besser fühlen.«
Er spürte Madjer lachen, lautlos. »Algerien ist … Ich will nicht zynisch klingen, Monsieur Eley … aber in Algerien stirbt man schneller als in Deutschland. Wer hierher kommt, muss das wissen. Es ist kein Land im Frieden. Es ist ein Land der Trauer und der Schuld und des Todes.«
»Sie reden zu viel«, sagte Eley. »Heben Sie sich die Kraft auf, um am Leben zu bleiben.«
Sie wateten durch einen Bach, der den Weg kreuzte und im Wald verschwand, folgten einem für Eley unsichtbaren Pfad über eine Wiese auf einen Hügelkamm hinauf. Hin und wieder spürte er Madjer wegdämmern, dann schüttelte er ihn, sprach ihn an. Manchmal antwortete Madjer, manchmal nickte er nur. Vollkommen erschlafft hing er in Eleys Griff, der unverletzte linke Arm baumelte von seiner Schulter herab vor seiner Brust.
Sie betraten das Geröllfeld, das Eley vom Hinweg kannte. Aber sie waren, dachte er, viel weiter südlich.
»Die Sonne«, murmelte Madjer.
Eley hob den Blick, es war unverändert dunkel. »Noch nicht.«
Er blieb stehen, setzte Madjer auf einem Felsbrocken ab, hielt ihn mit beiden Händen. »Fünf Minuten«, sagte er zu einem ihrer Begleiter, einem schmalen, düsteren Kahlkopf.
Der Mann nickte.
»Kann ich
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