Ein paar Tage Licht
Reichstag, Checkpoint Charlie mit den falschen Kollegen des Generals, Alliiertenmuseum, die Sehitlik-Moschee, Ernst Friedrich Riehle. Das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen bliebe diesmal besser außen vor, genauso Jüdisches Museum und Holocaust-Mahnmal.
Einmal Essen daheim in Dahlem natürlich. Das hieß …
Nein, dachte er, und der Druck wollte ihm die Brust zerreißen, diesen vielleicht letzten Gefallen würde ihm seine Frau sicherlich tun.
55
BERLIN
»Er hat uns reingelegt«, sagte Jens Carlsen.
Dich hat er reingelegt, dachte sie. Du hast ihm geglaubt.
»Tut mir leid. Ich dachte wirklich …«
»Schon gut«, sagte sie. »Kommt vor, wenn man sich verstrickt.«
Sie hatte in der Tiefgarage des Auswärtigen Amtes geparkt, saß noch im Auto, die Zeitung auf dem Schoß, Seite drei aufgeschlagen. Über die ganze Höhe das Foto, das Mareike Roth-Albig so gefallen hatte, sie im blauen Kleid mit dem in diesem Kontext selbstmörderischen Dekolleté. Titel und Untertitel ließen keine Zweifel. Verstrickt in eine heiße Romanze! Unsere Frau in Algier – abberufen wegen einer Affäre!
Darunter Andeutungen, Mutmaßungen, Behauptungen, aber nichts Konkretes. Wie auch, zu Lyon führten keine Spuren. Erneut überflog sie den Text.
Große, tragische Liebe …
Heißer Sex unter dem milden Himmel tausendundeiner Nacht …
Davon hatte sie geträumt. Doch sie hatten sich aus Vorsicht immer nur in Lyons dunkler, heißer Gruft getroffen.
»Wir reden später«, sagte sie und legte auf.
Immerhin, dachte sie, während sie ausstieg, diese Art von Krieg war ihr tausendmal lieber, als nachts ein Gewehrprojektil durch den Briefschlitz geschoben zu bekommen oder frühmorgens am Telefon bedroht zu werden.
»Interessiert mich nicht«, sagte die Staatssekretärin, den Blick auf die Zeitung in ihrer Hand gerichtet. »Zu offensichtlich. Da will Sie jemand fertigmachen. Die Leser werden Mitgefühl empfinden. Die taffe, einsame Botschafterin. Sechzehnstundentag, umgeben von Frauenunterdrückern, Islamisten, Terroristen, und dann lebt sie aus, wovon die deutsche Hausfrau träumt. Und dieses Kleid … Da träumen auch die deutschen Männer. Sie werden Einladungen in Talkshows bekommen, Maischberger, Illner, Beckmann. Diese Zeitungsidioten verschaffen Ihnen das perfekte Forum für Ihren kleinen Feldzug.« Sie neigte sich zu Prinz, murmelte: »Wo haben Sie dieses fantastische Kleid her?«
Sie lachten.
Halb acht, sie eilten den Gang hinunter, der den Neubau mit der alten Reichsbank verband, auf dem Weg zum Krisenreaktionszentrum. Prinz war angesichts der Haltung der Staatssekretärin erleichtert, machte sich aber keine Illusionen. Die Patrone, der Anruf, der Artikel: Ihre Gegner schossen zurück, und sie wusste, dies war erst der Anfang.
Und sie machte es ihnen leicht. Beging fatale Fehler. Was sie am Vortag vor den »Freunden Algeriens« über die Entführung Richters offenbart hatte, stand seit wenigen Minuten online. Die Internetausgabe eines Nachrichtenmagazins zitierte sie Wort für Wort, wenn auch anonym, als »hohe Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes«. Es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis sie identifiziert sein würde.
»Ich habe angerufen«, sagte der Leiter des Krisenreaktionszentrums. »Sie sind nicht bereit, es herunterzunehmen. Sie sagen, wir hätten die Informationen schließlich selbst publik gemacht.«
»Wie weit sind wir mit den Verhandlungen?«, fragte die Staatssekretärin.
Ganz am Anfang, erwiderte er. Die Delegation habe Tamanrasset vor einer Stunde verlassen, sei mit einem Mittelsmann in die Wüste unterwegs zu einem Tuareg, der wohl Kontakt zu den Entführern habe.
»Dann hoffen wir, dass es schnell geht.«
»Das bezweifle ich.« Er blickte auf den Bildschirm. »Abgesehen davon will ich wissen, wer das durchgestochen hat.«
»Lässt sich rausfinden.« Die Staatssekretärin wandte sich um, sah sie an, das Gesicht noch kantiger als sonst, der Blick stählern. »Wir brauchen Ebert.«
Prinz nickte, während sie im Geiste ihr Geständnis formulierte. Doch die Staatssekretärin schüttelte kaum merklich den Kopf. Schweigen also.
Der Leiter des KRZ wurde ans Telefon gerufen, entschuldigte sich.
»Ich habe mich hinreißen lassen«, flüsterte Prinz. »Ich war …«
Die Staatssekretärin unterbrach sie mit kühler Stimme: »Machen Sie Ebert klar. Schnell.«
Wiebke Ebert schien kaum geschlafen zu haben. Ihr Gesicht war grau wie ihr Kostüm, unter dem Make-up schimmerten dunkle
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