Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
Vom Netzwerk:
würden.
    Während er über den unebenen Waldboden hastete, dachte er, dass es zwischen diesen drei Ereignissen, so wie er das Leben mittlerweile verstanden hatte, Kausalitäten geben musste. Verschlungene Verbindungen mit unsichtbaren Zwischenstationen. Das eine hing mit den anderen zusammen, wenn auch nicht offensichtlich war, wie. Jedes Einzelne konnte sich nur ereignen, weil die anderen beiden geschahen. Und die anderen beiden geschahen, weil er war, wie er war.
    Eigentlich ganz einfach.
    Aber, dachte er, war er wirklich so? War er wie Siegfried Berghammer, der auf einem Schützenpodium den Provinzclown gab und nur wenig später andeutete, dass irgendjemand die Kampfhunde auf Prinz losgelassen habe?
    Nein, dachte er, so war er nicht. So wollte er nicht sein, nicht arbeiten, nicht siegen. So wollte er nicht alt werden. Er wollte die Gegner an seinen Strippen tanzen lassen, sie aber doch um Himmels willen nicht gewaltsam aus dem Weg räumen. Als er den Waldrand erreicht hatte, blieb er keuchend stehen und zog das Telefon hervor. Sieben Uhr, sie würde sicherlich schon wach sein.
    Er unterdrückte seine Nummer, ließ die ihre wählen. Hörte ihre gehetzte, aggressive Stimme, ein Wort, kaum als »Hallo?« zu erkennen. Natürlich, dachte er. Mittlerweile musste sie von dem Artikel erfahren haben.
    »Ich bin nicht so«, murmelte er.
    »Wie bitte?«, sagte Katharina Prinz rau.
    Er senkte die Stimme noch mehr, flüsterte tonlos seine Warnung, zweimal, damit sie auch wirklich verstand, und beendete die Verbindung fast euphorisch.
    Nein, er war nicht so. Er war einer von den guten Bösen.
    Er fuhr nach Stuttgart, hielt bei einer Apotheke, bekam ein paar Salben. Dann ließ er sich vom Navi zum Hotel lotsen und checkte bei einem etwas erstaunten Rezeptionisten ein, der aussah, als versuchte er zu begreifen, weshalb ein nicht mehr ganz junger Gast ein Zimmer für zweihundertsiebzig Euro buchte und die Nacht dann offenbar lieber in der Natur verbrachte.
    Hoch über Stuttgart duschte und rasierte er sich, bestrich dann die roten Hügellandschaften auf seinem Körper zentimeterdick mit Salbe und trat nackt auf den sichtgeschützten Balkon, um den einsetzenden Kater wie immer mit Kälte zu bekämpfen.
    Das Klingeln des Smartphones machte ihm einen Strich durch die Rechnung – die Melodie gehörte zu Altniederndorf. Er ging ins Zimmer zurück.
    »Reinhold, wir haben einen Gast.«
    »Einen Gast?«
    »Kannst du rüberkommen? Dem Chef helfen?«
    »Was für einen Gast?«
    Nackt, wie er war, sank Wegner in einen Sessel.
    In der Eingangsschleuse von Meininger Rau stand zu aller Überraschung General Ibrahim Soudani.
    Ausgerechnet Soudani!
    Wegner fuhr so langsam wie möglich. Rollte mit dreißig auf die Autobahn, machte es sich auf der rechten Spur bequem. Sollte ruhig ein wenig warten, Soudani.
    In der Gegenwart keines anderen seiner zahllosen Gesprächspartner im Generalsrang fühlte er sich so wertlos, charakterschwach und lächerlich wie in der Soudanis. Die strengen, immer ein wenig geröteten Augen sahen ihn nie direkt an, schienen grundsätzlich ein paar Millimeter an ihm vorbei- oder über ihn hinwegzublicken, als wäre das, was über oder hinter ihm war, nicht ganz so unerträglich wie er.
    Ein Mann aus Stahl mit einem Kern aus Stein.
    Wegner hätte am liebsten einen großen Bogen um ihn gemacht. Doch was Rüstungsgeschäfte betraf, kam man nicht an ihm vorbei. Er galt als einer der wichtigsten Repräsentanten derer, die in Algier die Macht innehatten.
    Auf das Alter – Soudani war neunundsiebzig – konnte Wegner nicht bauen. Von Phil wusste er, dass der General täglich frühmorgens an einem geheimen Ort ins Mittelmeer stieg und erst drei Stunden später wieder an Land kam, bereit, mediokre Weichlinge wie ihn in der kleinen, stark behaarten Faust zu zerquetschen.
    Missmutig kratzte er sich am Hintern und lockerte den Druck des rechten Fußes erneut. Was zum Henker machte Soudani in Altniederndorf?
    Man hatte den General und dessen Begleiter Said Moussa – Sekretär, Bodyguard, Faktotum und Geheimagent in Personalunion – aus der Schleuse geholt und ins riesige »Spanische Zimmer« geführt, einen der Repräsentationsräume der Firma. Die antike Möblierung war ganz in Kastanie, Nussbaum und Mahagoni respektive Rindleder gehalten: Stühle, Tische, Bänke, zwei Wandtische, Sessel, Couch, ein mächtiger Herrenzimmerschrank, spanische Renaissance, vor dem sich Soudani trotz Uniform und hohem Muskeltonus wie ein verlorener

Weitere Kostenlose Bücher