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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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glitte sie unsichtbar durch die Menge. Inzwischen war sie froh, hier zu sein. Es erinnerte sie an früher, an den Anfang in Algier, den Besuch der Kanzlerin und das Entsetzen darüber, welche geringe Bedeutung demokratische Grundwerte wie Menschenrechte, die Würde des Einzelnen, Freiheit, das Recht auf Meinungsäußerung in der alltäglichen deutschen Außenwirtschaftspolitik hatten, wenn Vertragsabschlüsse winkten.
    Demokratisch nach innen, nicht nach außen.
    Unerheblich, wenn afrikanische Kindersoldaten mit dem G3 von Heckler & Koch schossen, wenn G36 in libyschen Depots auftauchten, wo sie nicht hätten auftauchen dürfen. Wenn Transportpanzer deutscher Herkunft in Kairo ein Dutzend Demonstranten zerquetschten wie im Oktober 2011 beim »Maspero-Massaker«. Henschel-Wehrtechnik, längst zu Rheinmetall gehörend, hatte den »Fahd« in den Achtzigern im Auftrag des ägyptischen Militärs konzipiert und die Lizenz verkauft. Mittlerweile hatten die Ägypter den Panzer entgegen der Endverbleibserklärung nach Sudan und Kongo exportiert, ohne dafür die notwendige Genehmigung der Bundesregierung einzuholen.
    Immer weiter so, dachte sie.
    An Abenden wie diesem wurde die Verstrickung von Politik und Rüstungswirtschaft offenbar. Man musste sich nur den BDSV selbst ansehen: der Hauptgeschäftsführer ein ehemaliger SPD -Staatssekretär in Land und Bund, der Geschäftsführer Oberstleutnant a.   D. der Bundeswehr und einst im BMV g, in der Geschäftsführung außerdem ein stellvertretender CDU -Vorsitzender einer Kleinstadt. Bei anderen Lobbyverbänden sah es kaum anders aus.
    Das dritte Glas Wein.
    Dieses eine noch, dachte sie, dann würde der Mut reichen, um sich der Angst zu stellen.
    Als es leer war und sie über ein viertes nachdachte, vibrierte ihr Telefon. Algier, die Botschaft. Sie nahm den Anruf an, während sie aus dem Saal eilte.
    Der Botschafter selbst.
    Eley lebte, war in Sicherheit.
    »Er müsste mittlerweile in Berlin eingetroffen sein.«
    »Vielen Dank, Herr Botschafter.«
    »Allerdings gibt es ein Problem. Seine Version der Ereignisse unterscheidet sich von der offiziellen.«
    »Ich verstehe.« Sie hatte das Foyer erreicht, arbeitete sich in ihren Mantel hinein.
    »Reden Sie mit ihm. Vielleicht können Sie ihn zur Vernunft bringen.«
    »Hat er denn recht?«
    Der Botschafter lachte heiser. »Keine diplomatische Kategorie, wie Sie wissen. Letztlich zählt nur, dass Algerien nicht in die Luft fliegt, und wie Sie ebenfalls wissen, konnte die Regierung das bislang recht gut verhindern. In diesem Sinne: Nein, er hat nicht recht.«
    Sie versprach, mit Eley zu reden. Dann stand sie draußen im kalten Regen, überlegte, wo sie geparkt hatte. Die Funkfernbedienung half nicht, also lief sie einmal nach links, fand den Volvo nicht, dann nach rechts. Als sie endlich auf den Fahrersitz fiel, war sie vollkommen durchnässt.
    Zehn, elf verdächtige Autos folgten ihr nach Kreuzberg.
    Zwei warteten am Paul-Lincke-Ufer in zweiter Reihe.
    Ein Mann ging ihr vom Parkplatz zum Haus nach.
    Ein anderer stand rauchend in der Nähe des Eingangs.
    Fluchend strich sie sich mit der Hand über die Stirn. Sie hatten es geschafft, hatten sie paranoid gemacht.
    Sie nahm den Aufzug. Oben tastete sie mit klopfendem Herzen nach dem Lichtschalter. Noch im Dunkeln hörte sie Schritte auf der Treppe, zweiter oder dritter Stock, langsam, geduldig, vom Läufer gedämpft.
    Die Lifttür schloss sich, der Aufzug entfernte sich nach unten. Endlich sprang die Deckenleuchte an. Sie drehte sich zur Wohnungstür um, schrak zurück. Die Tür war angelehnt. Durch den Schlitz drang Licht.
    Keine Einbruchsspuren.
    Die Schritte waren jetzt deutlicher zu hören. Vierter Stock. Näherten sich unablässig.
    Sie zog das Handy hervor, wählte den Notruf. Während die Verbindung aufgebaut wurde, ging sie lautlos in die Wohnung und schloss die Tür. Ihr war eiskalt, Angst in jeder Körperfaser, aber sie spürte auch, dass die Automatismen funktionierten. Sie konnte klar denken, zielstrebig handeln.
    Nur den, der da kam, nicht reinlassen.
    Lautlos schloss sie die Tür.
    Eine Stimme aus dem Hörer. Prinz nannte ihre Adresse, sagte, jemand sei in ihre Wohnung eingebrochen und vielleicht noch da. »Bleiben Sie bitte dran!«, flüsterte sie.
    Als sie schwieg, hörte sie, dass die Schritte auf dem Weg ins oberste Stockwerk waren.
    Der Treppenabsatz auf halber Höhe.
    Vor ihrer Tür verharrten sie.
    Der schmale Deckel des Briefschlitzes öffnete sich. Ein goldenes

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