Ein paar Tage Licht
Projektil wurde hindurchgeschoben, fiel zu Boden, prallte dreimal ab, kullerte auf die Küche zu, blieb liegen.
Sie blickte auf die Türen, das Wohnzimmer, die Küche, rechts hinten das Bad. Niemand kam. Kein Geräusch aus dem Inneren der Wohnung.
Der draußen verharrte, wo er war.
Sie wollte sich eben in die Küche wagen, um ein Messer zu holen, als das Handy einen Anruf signalisierte. Die Durchwahl der Staatssekretärin.
Draußen entfernten sich die Schritte.
Sie nahm den Anruf an.
Wiebke Ebert war tot.
Hatte sich am frühen Abend in ihrer Wohnung erhängt.
66
PESSIN
Ein halbes Dutzend Streifen der Brandenburger Kollegen hatten sich in Ribbeck versammelt, dazu mehrere LKA -Beamte, Abteilung Staatsschutz, ein kleines SEK -Team. Eley informierte Wollkatsch, den Einsatzleiter, ein sommersprossiger Blonder, Sportler, musste Ende dreißig sein, sah aus wie Ende zwanzig.
»Also doch kein Al-Qaida-Mann?«
Landrichs Idee. Sagst du »al-Qaida«, lassen sie alles stehen und liegen.
»Wir wissen es nicht.«
»Die Anzugträger wollten kommen.«
»Kein guter Plan«, sagte Eley. »Rufen Sie an.«
Wollkatsch ging zu seinem Wagen, kam wenig später zurück. »Sie gehen wieder ins Bett.«
»Gut. Wollen Sie in Pessin dabei sein?«
Wollkatsch hob eine Hand. »Ist mein Land, oder?«
Sie stiegen in Landrichs Wagen, fuhren los, sieben Kilometer bis Pessin.
»Wo war das noch mal, Algerien?«, fragte Wollkatsch, der vorn saß.
Eley deutete nach links. »Da unten im Süden.«
Wollkatsch lotste sie durch Pessin, das schon zu schlafen schien, obwohl es nicht einmal halb zehn war.
»Die hatten gestern Erntefest, deswegen«, sagte er.
»Warte mal, Harry«, sagte Eley. Landrich blieb am Straßenrand stehen, mit ihm der Konvoi. »Da kommt das ganze Dorf zusammen?«
Wollkatsch nickte.
»Ruf den Bürgermeister an.«
»Bürgermeisterin.«
Eleys Blick streifte über die kleinen Einfamilienhäuser, die zum Teil weit hinter Zäunen und Bäumen standen, zu beiden Seiten der Sträßchen breite Grasstreifen. Viel Platz, viel Natur, das Leben scheinbar langsam und beschaulich.
Jetzt nicht mehr, natürlich.
Wollkatsch reichte ihm das Telefon. Eine dunkle, irritierte Frauenstimme, ein wenig heiser, Dani Janke. Ja, sagte sie, Djamel Benmedi sei da gewesen beim Fest, mit seinem Großvater.
»Erzählen Sie.«
Landrich und Wollkatsch warteten, die Köpfe halb zu ihm gewandt.
»Kein Wort zu irgendjemandem«, sagte Eley.
»Aber Sie müssen mich informieren, wenn Sie bei Youcef waren«, entgegnete Dani Janke.
Er gab das Telefon zurück. »Er war da. Später hat sie mit ihm und ein paar anderen Fußball gespielt. Nachts war die Tochter mit ihm allein. Freundlich, still, so melancholische Augen. Tut keiner Fliege was zuleide.«
Wollkatsch schüttelte den Kopf. »Frauen.«
»Hat sie ihn heute gesehen?«, fragte Landrich.
»Gegen Mittag, er ist spazieren gegangen, aus dem Dorf raus. Wie viele Straßensperren brauchen wir?«
»Drei.« Wollkatsch stieg aus, um die Schutzpolizisten zu instruieren. Einer der Streifenwagen wendete, zwei passierten sie. Wollkatsch stieg wieder ein. Sie fuhren in die Straße der Jugend, rollten am Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr vorbei, schmales Türmchen, eine rote Tür, ein rotes Tor. Ein Spielzeughaus, dachte Eley.
Wollkatsch hob die Hand, das Haus an der nächsten Kreuzung. Ein Obergeschoss, von Efeu überwucherte Mauern, zwei Fenster im Erdgeschoss erleuchtet, eines gekippt, darunter stand eine Sitzbank.
Sie hielten, stiegen aus, es ging jetzt schnell, Wollkatsch schickte sechs Schutzpolizisten ums Haus, damit Hintertüren, Fenster, Kellertreppe gesichert waren, die SEK -Männer würden vorn reingehen. Als Eley zur Tür eilte, sah er durch das Küchenfenster einen alten Mann an einem Tisch sitzen, er rauchte, die andere Hand lag um eine Tasse. Der Großvater, Youcef Benmedi.
Erstarrt stand Benmedi kurz darauf in der Diele bei Eley und Landrich, während vermummte Männer auf der Suche nach seinem Enkel durchs Haus stürmten.
Dann kam Wollkatsch aus dem Obergeschoss, schüttelte den Kopf.
Sie saßen in der Küche, Eley gegenüber von Benmedi, der eine Zigarette nach der anderen rauchte, die Augen wässrig, der Kopf gesenkt. Seine Bewegungen waren langsam, als wären die Arme, die Hände, der Kopf ungeheuer schwer. Er sprach fast fließend Deutsch, hatte eine unbestimmbare ostdeutsche Einfärbung.
»Darf ich?«
Benmedi nickte, und Eley nahm sich eine Zigarette. Er hörte Wollkatsch
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