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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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leise stöhnen, konnte ihn verstehen, die Küche trotz des gekippten Fensters völlig verqualmt.
    Benmedi hatte gesagt, sein Enkel sei am frühen Abend nach Berlin gefahren. Wohin, wisse er nicht. Mal in einer Bar sitzen, weißt du, in einen Klub gehen. Warte nicht, es wird spät.
    »Obwohl er morgen abreist«, sagte Eley.
    Benmedi nickte wieder.
    »Sie haben ihm nicht geglaubt, richtig?«
    »Dass er in eine Bar will?«
    »Ja.«
    »Warum hätte ich ihm nicht glauben sollen?«
    Eley antwortete nicht.
    »Er ist jung, und in Algerien gibt es wenige Bars. Außerdem ist er mein Enkel.«
    Eleys Blick begegnete dem Landrichs, der kurz die Brauen hob. Sie spürten beide, dass Benmedi log. Nicht zugeben wollte, dass er Djamel nicht geglaubt hatte.
    »Kennen Sie Sadek Madjer?«
    »Nein.«
    »Ibrahim Soudani? General Soudani.«
    »Nein.« Benmedi kratzte sich die Augenbraue. »Ibrahim Soudani? Es gab einen Offizier, vor langer Zeit, der hieß so. Im Befreiungskrieg.«
    »Das ist er.«
    »Ich habe damals von ihm gehört. Seitdem nicht mehr.«
    »Abderrahmane Toumi?«
    Benmedi schüttelte den Kopf.
    Eley wartete, begegnete erneut Landrichs Blick. Auch der Chef wartete. Benmedi hatte noch nicht gefragt, weshalb sie seinen Enkel suchten.
    »Kennt Djamel jemanden in Berlin?«
    »Nur Aziz.«
    »Der Freund aus Paris, bei dem er wohnt. Der ihn hergefahren hat.«
    »Ja.«
    »Wir brauchen ein Foto Ihres Enkels«, sagte Landrich.
    »Ich habe keines.«
    Landrich ging hinaus, schloss die Küchentür. Er würde die Fahndungsmeldung rausgeben, Aziz Amrani und Djamel Benmedi, vermutlich in Berlin unterwegs. Und er würde die Franzosen bitten, Djamels Visumsantrag samt Foto zu mailen.
    »Wo in Algerien lebt Ihr Enkel?«
    »In Tizi Ouzou. Das ist …« Benmedi hielt inne. »Ich weiß nicht mehr genau, wo das ist.«
    »Hundertfünfzig Kilometer östlich von Algier. Ich war dort, vor zwei Tagen.«
    »In Tizi Ouzou?«
    »Ja. Ich habe die letzten vier Jahre in Algerien gearbeitet.«
    »Was macht man als deutscher Polizist in Algerien?«
    Eley erklärte es.
    »Nicht schlecht«, murmelte Wollkatsch. »Könnte mir auch gefallen.«
    »Worüber haben Sie mit Ihrem Enkel gesprochen?«
    »Über die Familie. Seine Großmutter. Sie ist sehr früh gestorben, 1961. Über Deutschland. Er wollte alles wissen. Seit wann ich hier bin, wie es hier ist.«
    »Haben Sie über Politik gesprochen?«
    »Nein.«
    »Ist Ihr Enkel politisch?«
    »Ich glaube nicht. Er hat Wirtschaft studiert. Nein, für Politik interessiert er sich nicht.«
    Eley hörte ein Auto vorfahren, sah aus dem Fenster, ein Streifenwagen. Wollkatsch war schon aufgestanden, ging zur Tür. Im selben Moment kam Landrich zurück. Er setzte sich mit einem Nicken, stützte die Ellbogen auf den Tisch.
    »Interessieren Sie sich für Politik?«, fragte Eley.
    »Früher einmal. Jetzt nicht mehr.«
    »Während des Befreiungskrieges?«
    »Ja.«
    »Sie haben für den FLN gekämpft?«
    Benmedi nickte.
    »Sind Sie gläubig?«
    »Nein. Warum?«
    Eley deutete auf die Kachel an der Wand über dem Herd. »›Mekka‹«, erklärte er Landrich.
    Wollkatsch kam mit einem Schriftstück zurück, hielt es vor Benmedi. »Ein Durchsuchungsbeschluss.«
    Mit verwirrter Miene nahm Benmedi das Papier in beide Hände, die nach einem Moment zu zittern begannen, legte es schließlich auf den Tisch zurück.
    Fragte auch jetzt nicht, weshalb sie seinen Enkel suchten.
    Sie standen in dem Zimmer, in dem Djamel schlief, Benmedi, Eley, Landrich, sahen schweigend zu, wie Wollkatsch eine Reisetasche ausräumte und den Inhalt auf das Bett legte. Kleidung, ein Paar Schuhe, französische Zeitungen, Hygieneartikel. Nichts, was in irgendeiner Weise relevant gewesen wäre.
    »Hatte er sonst etwas dabei?«, fragte Eley.
    »Nein«, erwiderte Benmedi.
    Wollkatsch räumte wieder ein, Landrich telefonierte. Eley ging mit Benmedi hinunter, sie setzten sich in die Küche. Benmedi musterte ihn lange, dann griff er nach einer flachen Schachtel, die auf dem Fenstersims lag, und schob sie vor ihn.
    Zwei Dutzend Schwarz-weiß-Fotos. Djamels Großeltern, der Vater als Säugling. Das Fußballteam des FLN . Zohra Drif inmitten anderer bewaffneter Frauen.
    Die Vergangenheit Algeriens.
    Eley war nicht gewappnet, der Schmerz kam rau und überraschend. In den algerischen Gesichtern, den Straßen und Häusern in Schwarz-weiß war auch Amels Vergangenheit.
    Eine Weile sagten sie nichts, hingen ihren Gedanken nach.
    Schließlich langte Benmedi in die Schachtel, nahm

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