Ein paar Tage Licht
Sicherheit.«
»Was ist mit dem Koch und dem Mädchen?«
»Es geht ihnen halbwegs gut.«
»Wo sind sie?«
»Sie können nicht mit ihnen sprechen, Eley.«
Er seufzte, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Zeit, die Amerikaner anzurufen. Aktiv zu werden.
Hoch über ihnen gurrte es, die Tauben regten sich. »Vorsicht, Herr Botschafter.« Harte Palmenbeeren prasselten herab, auf seine Schulter, auf die Terrasse.
Sie gingen wieder ins Gebäude.
»Hatten Sie so was hier schon mal?«, fragte der Botschafter. »Eine Entführung?«
»Nein.«
Vier Jahre lang hatte Eley den Alltag eines deutschen BKA -Verbindungsbeamten in Algier erlebt. Ein Hippie-Pärchen, das sich für ein paar Tage in der Wüste verlaufen hatte. Diebstahl an Touristen. Betrunkene Mitarbeiter deutscher Konzerne. Bestechung in der Konsularabteilung. Visafälschung. Kindesentzug durch einen algerischen Elternteil. Auswertung der nordafrikanischen Presse. Hin und wieder die feierliche Präsentation des neuesten Kampfhubschraubers oder der Fähigkeiten einer Eliteeinheit in für die Öffentlichkeit unzugänglichen militärischen Einrichtungen. Dazu die Berichte und Analysen, die das BKA und das Außenministerium benötigten, Terrorismusgefahr, Rauschgiftwege, Migrationsströme, Schmuggel durch die Wüste, soziale Unruhen. Jetzt, in seinem letzten Jahr, wurde es auf einmal ernst.
Der Botschafter nickte. »Halten Sie sich bitte zurück.«
»Na klar«, sagte Eley.
6
PESSIN, BRANDENBURG
Der Sonntagnachmittag im Havelland, für Youcef Benmedi auch im Ruhestand die schönste Zeit der Woche, wenn man spürte, dass das Leben draußen faul und müde war und die Gedanken der Menschen seitwärts trieben. Kein Laut drang durch die beiden kleinen, vom Efeu verschatteten Küchenfenster. Nur das Ticken und Rasseln der Standuhr im Wohnzimmer war zu hören, ein Erbstück Paulines, das 1970 von Pessin nach Spremberg in der Niederlausitz und 1990 von dort zurückgewandert war, mit Kisten und Möbeln auf den Anhänger geschnallt, nachdem sie beschlossen hatten, dass fast zwanzig Jahre in der Schwarzen Pumpe genügten, wo man ja ohnehin nicht wusste, wie es weitergehen würde.
Er hob die Tasse mit dem Verbenentee, trank einen Schluck, räusperte sich. »Und dann«, sagte er, »was tust du dann?«
»Ich leg Sie so hin, dass Ihr Kopf nach Mekka zeigt.«
»In welcher Richtung ist Mekka?«
»Da.« Hamit wandte sich der Herdwand zu, zeigte auf die Kachel mit dem arabischen Wort für »Mekka«, das er vermutlich nicht entziffern konnte, die Familie stammte aus der Türkei.
Benmedi nickte, kaute Gebäck, ließ sich Zeit. Sein Blick folgte einer Zigarettenrauchschwade, die in anmutigen Bewegungen auf Hamit zuschwebte. »Und dann?«
»Wasche ich Sie.«
»Einfach so? Einmal waschen, fertig?«
»Drei Mal waschen.«
»Drei Mal«, bestätigte Benmedi. »Mit heißem Wasser, Waschlappen und Seife. Der ganze Dreck muss weg.«
Hamit senkte den Blick auf die Tischkante. »Auch das da unten?«
»Meine Füße riechen schlimmer.«
Sie kicherten, fummelten erneut Zigaretten aus der Packung. Benmedi rauchte mit halb geschlossenen Augen, betrachtete den Jungen durch den Qualm. »Und vergiss die Ohren nicht. Ich will was hören im Paradies.«
»Auch die Ohren«, sagte Hamit gehorsam.
Benmedi schenkte ihm Tee nach, Hamit löffelte Zucker in die Tasse. Sie tranken, rauchten, ein alter Mann, ein junger Mann, verstanden sich prächtig, wenn es ums Sterben ging.
Benmedi war im Kopf zum gutmütigen Nihilisten geworden in vier Jahrzehnten Deutschland. Der Kern und der Körper aber waren muslimisch geblieben, und so war es ihm ein Anliegen, dass alles nach den Vorschriften geschehen würde am Ende seiner Tage. Doch es war weiß Gott nicht einfach für einen Muslim im havelländischen Pessin, auf korrekte Weise hinüberzugehen.
»Was tust du dann?«
»Ich trockne Sie ab und wickle Sie in weiße Tücher.«
»Die Tücher, wo sind die?«
Hamit zeigte auf die Vitrine. »Da drin. Die gebügelten.«
Benmedi lächelte. »Und dann?«
»Fahre ich Sie zum Friedhof rüber.«
»Sorg dafür, dass Benzin im Tank ist.« Er zog einen gefalteten Fünfzigeuroschein aus der Hemdtasche, schob ihn über den Tisch. Der Tod, dachte er, war teuer. Schon vier Fünfziger waren im Laufe der vergangenen Monate in Hamits Hosentasche verschwunden, einige mehr würden folgen, bis es so weit war.
Aber das Geld war gut angelegt. Abgesehen davon, dass Hamit als Muslim der Einzige in Pessin war, der ihn
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