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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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winkte zurück.
    Sie verstanden sich gut, aus mehreren Gründen. Als junge Politologiestudentin in Halle-Wittenberg hatte Dani Janke ein paar Monate lang für einen algerischen Kommilitonen geschwärmt, der hatte Augen wie Sie, Youcef, so groß und melancholisch und weise, und er wollte mich heiraten . Doch sie entschied sich für die Augen eines weniger weisen Thüringers, der im April 2002 im Vollrausch mit dem Motorrad gegen einen Baum krachte – zwei Tage vor Paulines Tod. Innerhalb derselben Woche hatten sie ihre Liebsten zu Grabe getragen.
    Dani Janke bremste und rutschte vom Sattel. Sie reichten sich die Hand, plauderten über Belangloses. Nach einer Weile nahm Benmedi die Wärme ihres Körpers wahr, der sich die Frische und Unbekümmertheit bewahrt hatte. Ein fröhlicher, flirrender Körper, ganz anders als der Paulines, weiblich und immer in Bewegung. Wie schade, dachte er, dass es unmöglich war – es wäre ihm eine Freude gewesen, als Toter von Dani Janke gewaschen zu werden, wenn er schon als Lebender aufgrund des Altersunterschiedes dafür eher nicht infrage kam.
    Er lächelte, machte die Augen groß und melancholisch und weise, er liebte es zu sehen, wie Dani Janke errötete.
    Sie hüstelte. »Und das Transparent, Youcef?«
    »Ist fertig, meine Liebe.«
    »Perfekt!«, sagte Dani Janke strahlend. Immer sagte sie »perfekt« und strahlte dabei, als wollte sie das Schicksal auf diese Weise zwingen, ihr keine zweite Katastrophe aufzubürden. Ein verzweifelter Versuch, der ihn ein ums andere Mal berührte. »Dann lasse ich es morgen holen.«
    »Nicht vor neun, bitte. Eher gegen zehn.«
    »Gegen zehn, perfekt!«
    Sie fuhr davon, im Stehen ging es des Windes wegen auf und ab. Benmedi folgte ihr mit dem Blick. Ihre Konturen verschwammen schnell, die Augen konnten mit den Gelüsten nicht mehr mithalten.
    Langsam ging er weiter. Er fröstelte jetzt, in der Luft lag schon die kühle Dämmerung.
    An der Kreuzung Ratzower Weg bog er ab, wenige Meter vor seinem Haus hielt er inne. Der Wind trieb ihm auf der Straße etwas Weißes entgegen, ein Stück Papier, nein, einen Brief, der aus irgendeinem Postkasten gefallen sein mochte.
    Er hob ihn auf. Schmutzspuren hafteten an der Vorderseite, ein Reifenprofil, jemand war darübergefahren. Doch der Adressat war gut lesbar.
    Der Brief war für ihn.
    Ein Brief aus Algerien.

7
    ALGIER
    Eley hatte die Bürotür geschlossen, gab sich am Schreibtisch düsteren Gedanken hin.
    Constantine lag weit entfernt von den üblichen AQM -Operationsgebieten Sahara und Kabylei. Die Entführer waren mehrere Hundert Kilometer angereist, entweder aus dem Süden oder aus dem Westen, hatten vermutlich mindestens einen oder zwei Tage in der Nähe verbracht. Sie mussten dort über sichere Rückzugsmöglichkeiten verfügen, über ein Netzwerk aus langjährigen, unauffälligen Unterstützern. Schläfern wie Sadek Madjer, der die Gäste des Verteidigungsministeriums über zwei Jahre gefahren hatte, ohne in irgendeiner Weise aufzufallen. Sie brauchten einen Unterschlupf in der Nähe von Constantine, wo sie nach dem Überfall zur Not bleiben konnten. Ein Versteck für die Geiseln.
    Zwei Geiseln, die eine Gold wert, die andere kaum einen Cent. Trotzdem hatten sie Toni mitgenommen. Dabei war er ein Ungläubiger, wie der Koch, der aus einer französisch-italienischen Familie stammte.
    Warum hatten sie die beiden nicht getötet?
    Abdelmalek Droukdel kannte man, er war einer der Emire von AQM . In den Neunzigern hatte er aufseiten der Groupe islamique armé gekämpft, dann in Afghanistan für die Taliban, nach seiner Rückkehr bei der GSPC , die vor allem auf sein Bestreben hin – mit Erlaubnis von Osama bin Laden – Anfang 2007 in al-Qaida im islamischen Maghreb umbenannt worden war.
    Eine Splittergruppe namens Vertreiber der Ungläubigen allerdings war unbekannt. Keine Informationen im Internet. Kein Hinweis bei den gewöhnlich gut informierten Sahara Media , Jeune Afrique, der mauretanischen Nachrichtenagentur ANI , die direkte Drähte zu AQM unterhielt, bei anderen.
    In den schwarzen Neunzigern hatte der militärische Geheimdienst Algeriens die islamistischen Terrorgruppen infiltriert. Manche Massaker an der Zivilbevölkerung wurden mittlerweile dem Militär zugeschrieben, Fallschirmjäger und Spezialeinheiten, als Islamisten getarnt, man wusste das heute. Selbst was die Mörder der französischen Mönche aus Tibhirine betraf – vermeintlich eine GIA -Zelle –, waren Zweifel aufgekommen. Genauso

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