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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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überprüfen lassen. Eidesstattliche Erklärungen und so. Er scheint sauber zu sein.« Landrich seufzte. »Seine Frau kommt rüber, Ralf.«
    »Richters Frau?«
    »Ja. Sie klingt schwierig. Sie sagt, sie kann helfen. Irgendwas mit Energie, ich hab nicht so genau zugehört. Sie will nach Constantine, irgendwas mit Energie veranstalten. Das Auswärtige Amt bemüht sich bei den Algeriern um ein Visum, wenn wir Pech haben, bekommt sie es. Ich schicke jemanden mit, der sie betreut, ja?«
    »Nein, ich kümmere mich um sie. Ich will hier keinen von deinen Aufpassern.«
    »Simon ist schon beim Packen, Ralf.«
    Sie schwiegen.
    »Ist besser so«, sagte Landrich. »Wir zeigen, dass wir uns kümmern. Die Sache ernst nehmen. Ist schließlich unsere Aufgabe.«
    »Ihr zeigt, dass ihr mir in den Rücken fallt.«
    »Nein, nein, Ralf. Keiner fällt dir in den Rücken. Im Gegenteil. Wir halten dir den Rücken frei .« Landrich lachte, schien mit seinem Wortspiel zufrieden zu sein. »Das kannst du doch jetzt nicht brauchen, eine hysterische Ehefrau, die nach Constantine will, dort irgendwas mit Energieströmen veranstaltet. Simon kümmert sich um sie. Hält dir den Rücken frei, damit du deinen Job machen kannst.«
    »Harry, Harry«, sagte Eley.
    »Nicht wieder wütend werden, ja? Du wirst mir zu oft wütend in letzter Zeit.«
    Eley verkniff sich eine Antwort.
    Immerhin, Simon war eine gute Wahl. Er war fünf Jahre BKA -Verbindungsbeamter in Paris gewesen, sprach fließend Französisch, später in Kairo, kannte den Botschafter aus dieser Zeit; und er kannte Algier, hatte Eley zweimal während dessen Urlaub vertreten.
    »Ist noch was, Harry?«
    Landrich gurrte. »Erzähl mir von den Schönen aus tausendundeiner Nacht, ja?«

8
    PESSIN
    Verehrter Großvater,
     
    durch die Erinnerungen an meine Kindheit schwebt ein Schemen mit sanfter Stimme und einem melancholischen Lächeln, der von einem Tag auf den anderen in mein Leben getreten und zwei Jahre später genauso abrupt daraus verschwunden ist. In der Zeit dazwischen wurde er mir vom Fremden zum Freund und schließlich zum Helden.
    Doch von Jahr zu Jahr verliert dieser Schemen mehr an Kontur, und schon bald werde ich mich nicht mehr an seine Gesichtszüge erinnern können. Dabei ist er der Einzige, der mir von meiner Familie, den unglücklichen Benmedis, geblieben ist, und ich möchte ihn, wenigstens für ein paar Augenblicke, noch einmal festhalten, bevor er für immer verschwindet.
    Weil dieser Schemen nicht mehr in unser beider Heimat kommt, werde ich nach Deutschland kommen. Ich hoffe, er wird nicht erschrecken, wenn irgendwann Ende Oktober dieses Jahres ein algerischer Fremder vor seiner Tür steht und sagt, er sei Djamel Benmedi, sein Enkel.
     
    Ich grüße Dich von Herzen,
    Djamel

9
    ALGIER
    Nur eine Schöne aus tausendundeiner Nacht, Harry, und sicher nicht auf die Art schön, wie du es dir vorstellst – ein kleines, irgendwie kantiges Gesicht, selten einmal weich, nur wenn sie lächelt, ist da etwas Sanftes, aber man muss schon sehr genau hinsehen, Harry, und die Haare nicht lang und seidig und gelockt, wie du es vermutlich magst, sondern jungenhaft kurz. Unter dem linken Auge liegt eine schmale weißliche Narbe, vier Zentimeter lang, von einem Gewehrkolben, denn als vor sechzehn Jahren zwei Köpfe in den Sand fielen, da sprang sie vor, ohne nachzudenken, eine Neunzehnjährige, Harry, um bärtige Gesichter zu zerkratzen, mit bloßen Händen Schwerbewaffnete zu töten, und hätte dabei fast selbst das Leben verloren. Während sie im Straßendreck neben den beiden Köpfen lag, auf einem Auge blind vom Blut, drückte sie ein Stiefel auf ihrer Brust nieder, und über dem freien Auge schwebte die Mündung eines Gewehrs. Es ist eines der Geheimnisse des algerischen »schwarzen Jahrzehnts«, weshalb sie dennoch überlebte, Harry. Von den bewaffneten islamischen Gruppen weiß man, dass sie Frauen und Kinder nicht verschonten, man weiß aber auch, dass sie vom Militär unterwandert waren und manche Überfälle auf dessen Konto gingen. So ist das hier in Algerien, Harry, man muss schon sehr genau hinsehen, sonst entgeht einem das Wesentliche, und man muss mit allem rechnen, auch damit, dass man auf wundersame Weise überlebt, weil ein Gewehrlauf plötzlich zurückgezogen wird. Aber man vergisst so etwas nicht, Harry, schon gar nicht, wenn der Staat die öffentliche Erinnerung, die Aufarbeitung und die Strafverfolgung durch Gesetze unmöglich macht wie hier in Algerien. Man bleibt

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