Ein paar Tage Licht
Maschinenpistolen, die meisten schwarz, ein paar wenige glänzten silbern.
»Was man so findet bei der Arbeit«, sagte Rigal.
Eley näherte sich dem stählernen Haufen, der einen dumpfen Geruch verströmte, eine Mischung aus Metall, Schmierfett, verbranntem Pulver. »Wo findet man eine MP 5?«
»Überall. Heckler hat die Lizenz in vierzehn Länder verkauft, in vierzig weiteren wird sie verwendet. Die hier kommt aus der Kabylei, ist einem Freund von mir neulich bei einer Demonstration vor die Füße gefallen. Ein Polizist ist im Regen ausgerutscht, die Leute haben sich auf ihn geworfen, die Maschinenpistole lag im Rinnstein.«
»Heckler hat nach Algerien geliefert?«
»Es gab drei Genehmigungen für die MP 5, kleine Stückzahlen, ein- oder zweistelliger Bereich. Ist lange her, noch vor dem ›schwarzen Jahrzehnt‹. Das gute Stück hier wird seine fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel haben.«
Eleys Augen, die sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, glitten über die Waffen, an die hundert würden es schon sein. Manche erkannte er an der Form, einige Pistolen hatte er selbst in Händen gehalten, hin und wieder war der Herstellername zu entziffern. Alles dabei, Kalaschnikow, Walther, Heckler & Koch, Meininger Rau, FN Herstal, Glock, andere mehr.
»Sieht nicht so aus, als wären sie unbrauchbar.«
»Sind sie auch nicht«, sagte Rigal. »Die meisten jedenfalls.«
»Du hast hier Dutzende funktionierende Schusswaffen rumliegen?«
»Reg dich nicht auf, sie sind nicht geladen. Trinken wir was.«
Eley ging zum Tisch, setzte sich. Immer noch meinte er die Waffen zu spüren. Kein Wunder, dachte er, der ganze Stahl. »Hast du keine Angst, dass die Polizei mal vorbeischaut?«
»Dann hätte ich jede Menge Geschenke.«
»Und wenn Kinder zu Besuch kommen?«
»Ich kenne keine Kinder.«
»Jugendliche, die einbrechen?«
Rigal hob die Schultern. »Dann passiert das, was überall auf der Welt passiert. Jugendliche laufen mit Waffen herum. Wollen wir über Verantwortung reden? Über Moral? Schuld?«
»Nein«, sagte Eley.
Waffen gehörten in die richtigen Hände, das war unabdingbar. Die richtigen Hände brauchten Waffen, auch das war unabdingbar. Mehr gab es dazu aus seiner Sicht nicht zu sagen.
»Die richtigen Hände«, wiederholte Rigal spöttisch, kratzte sich mit beiden Zeigefingern die Koteletten.
Er hatte eine Weinflasche vom Boden neben dem Spülbecken genommen, zwei Gläser von einem Wandbrett, großzügig eingeschenkt. Der Plastiktisch wackelte, war von der Sommerhitze verzogen, Eley ließ die Hand am Sockel des Glases, damit es nicht davonrutschte.
»Du kannst rauchen, wenn du willst«, sagte Rigal, schob ihm mit dem Fuß einen roten Aschenbecher hin, der unter dem Tisch gestanden hatte.
Eley bückte sich danach. »Danke.«
Er starrte auf die Glut, lauschte dem Knistern. Der Rauch überlagerte den Geruch, den die Waffen ausströmten. Das unangenehme Gefühl im Körper blieb.
»Zwischen 1961 und 1981«, sagte Rigal, »ging die Lizenz für den Nachbau des G3 von Heckler & Koch an mehr als ein Dutzend Staaten, darunter eure demokratischen Vorbilder Iran, Pakistan und Saudi-Arabien. Das Gewehr ist einer der Exportschlager des Iran. Damals herrschte dort der Schah, ein Freund des Westens. Heute will Iran Israel auslöschen. Die falschen Hände haben die richtigen abgeschlagen, mon ami . Falls es jemals die richtigen waren.«
»Irgendjemand wird draus gelernt haben«, sagte Eley.
»Heckler hat die Lizenz für das G36, den Nachfolger, vor ein paar Jahren nach Saudi-Arabien verkauft. Rüstungskonzerne lernen nicht. Regierungen lernen nicht.«
»Menschen lernen.«
»Menschen sind irrelevant. Rüstungskonzerne und Regierungen arbeiten nicht nach den Werten und Idealen von Menschen, sondern nach wirtschaftlichen Zwängen. Die Abläufe sind automatisiert. Du willst in meinem Land investieren? Gut, ich will deine Panzer! Du willst unser Öl? Unser Gas? Unsere Sonnenenergie? Gut, ich will deine Sturmgewehre!« Rigal schwenkte das Glas langsam hin und her, den Blick darauf gerichtet, sprach nicht weiter. Er hatte sich schon nachgeschenkt, Eley war noch nicht so weit. Der Wein stieg ihm zu Kopf, er spürte die Müdigkeit, ein langer, intensiver Tag. Wollte nicht enden, dieser Tag.
»Wie schläft man neben so viel Stahl?«
»Ich hab noch nie gut geschlafen.«
Rigal stand auf, ging ins Bad, Eley sah und hörte ihn pinkeln. Er lehnte sich zurück, spürte die Verwringung des Stuhls, musste das Gleichgewicht
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