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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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schoss in die Höhe, verbeugte sich nach allen Seiten, ein großer, dürrer Grashüpfer mit Feder im Hut. Sebi Merkle, ein netter, harmloser Kerl. Organisierte sämtliche Reisen, die Altniederndorf zu buchen hatte. Die Pazifikkreuzfahrt von Wiebke Ebert beispielsweise.
    Berghammers Enthusiasmus ließ nicht nach, auch nicht bei »Fridolin – Futter für die Katz’ & Co.«. Wegner sah und spürte, dass er reichlich Spaß an seinem Tun hatte. Siegfried Berghammer war mit Bauernschläue und dem Wohlwollen des Himmels gesegnet. Ein fröhlicher, durchschnittlich intelligenter Sohn der Scholle, den willige Hände aus dem Südwesten bis weit nach oben gereicht und auf der Führungsebene des Bundeswirtschaftsministeriums abgestellt hatten. Er hatte die Bodenhaftung nicht verloren, im Gegenteil die Scholle ins Berliner Büro gebracht. Daheim pflegte er die Kontakte, wob unermüdlich am schwäbischen Netzwerk. Kaum ein Verein in der Region, dem er nicht wenigstens als Förderer angehörte, wenn nicht als Vorstandsmitglied wie dem Schützenverein Denkenheim, der Narrenzunft Altniederndorf oder der Ortsjägervereinigung Klippenhofen. Wie der Kollege Ernst Friedrich Riehle für die CDU fuhr Berghammer für die FDP im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen seit Jahren Rekordergebnisse ein. Wie Riehle war er eine der politischen Säulen der Meininger Rau Gewehrfabrik 1889.
    »Dem Skatkreis Denkenheim-Epplich!«
    Jubel.
    Plötzlich hatte Wegner genug. Die Verachtung seiner Frau, die er in jeder Körperzelle zu spüren meinte, war nicht mehr zu ertragen. Abrupt fuhr er hoch, zog damit glasige Augen und frenetischen Beifall auf sich, bis sich nicht weit von ihm entfernt der echte »Malermeister Maximilian Giese« erhob, ein etwas phlegmatischer Riese.
    Ihre Blicke trafen sich. Maximilian Giese sah ihn mit so fundamentaler Irritation an, dass Wegner ungewollt in Lachen ausbrach. »Sie auch?«, schrie er über die Köpfe und den Lärm hinweg. Dann stieg er über die Bierbank, zwängte sich zwischen bebenden Rücken und zuckenden Beinen hindurch zum Ausgang und verließ den Saal.
    Schwer atmend von der stickigen Hitze und der Verachtung trat er vor die Gaststätte ins milde Abendlicht des oberen Neckartals. Jenseits der Straße lag der Fluss, dahinter erhob sich ein Hügel, bis obenhin mit Wohnhäusern bepflanzt. Er zog ein Taschentuch hervor, wischte sich Stirn und Wangen trocken. Am liebsten wäre er noch in dieser Sekunde in den Mietwagen gestiegen, nach Stuttgart zurückgefahren und hätte das nächste Flugzeug heimwärts genommen. In ihm wucherte eine ungeheure Sehnsucht nach dem Ohrensessel in Dahlem, nach dem Flokati über dem Potsdamer Platz, dem Hermès-Schal. Leder, Wolle, Seide strichen ihm in seiner Fantasie über die Haut, ganz sanft, ein Hauch aus Liebe, warm wie die Hand einer Frau aus der verlorenen Welt.
    Mit zitternden Fingern griff er zum Telefon.
    Sieben Anrufe in Abwesenheit, alle von Wiebke Ebert, im Lärm der schießfreudigen Jubler untergegangen.
    Er wählte die Dahlemer Nummer.
    »Ich brauche dich doch«, sagte er. »Ich liebe dich.«
    »Lass uns darüber reden, wenn du wieder da bist«, flüsterte seine Frau.
    »Sie war hier«, sagte Wiebke Ebert. »In meinem Büro. Da. Genau da. Sie hat sich nicht mal hingesetzt. Sie stand, ich saß. Es war … demütigend.«
    Wegner war zum Fluss hinübergegangen, hatte einen Fuß auf eine der Uferbänke gestellt. Mit der freien Hand wedelte er späte Mücken weg, die sich über seine schweißfeuchte Haut herzumachen versuchten. In der Brust spürte er einen ungewohnt schnellen, wuchtigen Herzschlag, die Kehle war eng. »Was wollte sie?«
    »Ulmer & Tann, Meininger Rau. Die Chronologie durchsprechen. Mit Fehlzeiten im Referat abgleichen. Wer war wann krank oder im Urlaub. Wer sieht wann welche Unterlagen. Wie ist das Prozedere.«
    Er fluchte stumm. Prinz wusste, dass es in ihrem Haus ein Leck gab, und hatte, hoffentlich ohne es zu wissen, direkt davor gestanden.
    »Sie weiß es.«
    »Beruhigen Sie sich, Wiebke.«
    Wegner sog so viel Luft in sich, wie die enge Kehle zuließ, und dachte angestrengt nach. Aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Vor ihm zog der Fluss dahin, auf der Oberfläche spiegelte sich der Schein einer Reihe Straßenlaternen, die eben angegangen waren. Das Wasser kam ihm unnachgiebig vor und ein bisschen höhnisch. Verbarg genüsslich, was in seinem Grünschwarz lauerte, zerrte kompromisslos mit, was sich nicht wehren konnte. Wegner drehte sich der Kopf von

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