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Ein paar Tage Licht

Ein paar Tage Licht

Titel: Ein paar Tage Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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wussten Sie, dass Richter kommen würde? Der ehemalige Meininger-Rau-Mann, bis vor Kurzem verantwortlich für die Auslandsverkäufe des MRG 45.«
    Madjer antwortete nicht.
    »Sie hatten Angst, dass Soudanis Leute Phil foltern?«
    »Die Franzosen haben uns ein reichhaltiges Erbe hinterlassen, darunter ihre Sprache und die Folter. Sicher haben Sie von der ›Französischen Doktrin‹ gehört.«
    Eley nickte. Eine Handvoll wirksamer Techniken im Kampf gegen Aufständische: Massenverhaftungen, extralegale Erschießungen, eben Folter. Die Doktrin hatte im Algerienkrieg Premiere, später fand sie mit französischen Veteranen eine Fortsetzung unter den Diktaturen Lateinamerikas. »Sie haben Phil hinrichten lassen, Madjer. Auch Sie wenden die Französische Doktrin an.«
    »Wir führen einen Krieg. Da entscheidet der Gegner über die Wahl der Mittel.«
    Eley stieß ein raues Lachen aus.
    »Ich verstehe, dass Sie als Polizist dazu eine andere Einstellung haben.«
    »Wann wird das enden? Das Morden in Algerien?«
    »Wenn le pouvoir zerschlagen ist.«
    »Dann liegt wieder ein Jahrzehnt des Tötens vor Ihrem Volk.«
    Sie hatten einen Abhang erreicht, darunter begann ein steppenartiges Plateau. Etwa einhundert Meter vor sich sah Eley zwei größere Gebäude, von einer Mauer umgeben. Ein Kloster.
    »Die Revolution entsteht unter christlicher Obhut«, sagte er.
    »Mit der Zustimmung Gottes.« Lächelnd berührte Madjer seinen Arm. »Reiner Zufall.«
    Sie stiegen auf das Plateau hinunter. Madjer warnte wieder, das Gelände sei vermint, nur schmale Wege seien sicher, auf denen keine zwei Personen nebeneinander gehen könnten.
    »Minen der Revolution?«
    »Diesmal ja.«
    Kein schlechter Ort für ein Versteck, dachte Eley. Von den Hügeln im Norden und Süden konnten Scharfschützen die Ebene mit Kugeln bestreichen. Falls sie ausgeschaltet wurden, verhinderten die Minen jeden Überraschungsangriff.
    Ein Versteck, ein Gefängnis. Wer einmal dort war und keinen Führer durch die Minenfelder hatte, kam lebend nicht mehr weg.

46
    DENKENHEIM, BADEN-WÜRTTEMBERG
    Reinhold Wegner wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Ein Staatssekretär und ein Ministerialdirigent aus Landesministerien, zwei Kleinstadtbürgermeister, Ortsverbandsvorsitzende von Freien Wählern, FDP , CDU , SPD und Grünen, rund einhundert weitere Gäste – fast alle in der kunstrasengrünen Tracht des Schützenvereins Denkenheim e.   V., Männer wie Frauen. Tuchkragen, Hirschhornknöpfe, Schulterstücke, wohin er auch sah. Grünmelierte Schützenhüte mit und ohne Federbusch, schwarze Zweispitze mit Fransen und Borten, zurückgeschoben im Nacken sitzend oder auf dem Biertisch liegend. Und kaum eine Hand, die nicht ein Bier- oder Weinglas hielt.
    Über allen, auf dem Podium, ebenfalls in Tracht und zünftig in Schweiß gebadet, Siegfried Berghammer, Parlamentarischer Staatssekretär der FDP im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem der mächtige Bauch die Schützenjacke ausbeulte. Zehn Minuten lang hatte er sich lobend über die Aufrechterhaltung der Traditionen, den Geist der Kameradschaft, das familiäre Miteinander im Schützenverein geäußert. Inzwischen hielt er eine Sponsorenliste in der Hand und rief mit roten Wangen:
    »Der Denkenheimer Zement GmbH!«
    Jubel.
    »Der Stadtsparkasse Denkenheim-Riedlingen!«
    Jubel.
    »Dem Reinigungsservice Pamela Beierle!«
    Eine Frau hob juchzend grüne Arme, winkte.
    Jubel.
    »Der Meininger Rau Gewehrfabrik 1889!«
    Jubel.
    Jeder, der auch nur einen Euro für die neue Schießhalle des Vereins gespendet hatte, wurde, so kam es Wegner vor, von Berghammer erwähnt und von den Schützen mit Dankesbeifall bedacht.
    Zum ersten Mal konnte er die Verachtung seiner Frau für seinen Beruf nachvollziehen. Für ihn. Da hockte er inmitten einer Hundertschaft halb betrunkener Freizeitcowboys in giftgrünem Polyester, strahlte, obwohl ihm längst nach Weinen zumute war, und hob alle zwanzig Sekunden das Bierglas, um dem »Familienfriseur Michael und Petra Zahn« oder dem »Brotlädle Hanni Niederreither« zuzujubeln.
    Auf der Bühne des Gastsaals hatte Berghammer innegehalten, um die silberne Brille zurechtzurücken, die in der Emphase verrutscht war und ihm für einen Moment wie eine schräg stehende Spielplatzwippe auf der Nase gehangen hatte. Mit beiden Händen fuhr er sich über die Kopfseiten, wo noch raspelkurzes, hellgraues Haar wuchs, dann schrie er begeistert: »Dem Reisebüro Sebi Merkle!«
    Jubel.
    Ein Mann

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