Ein paar Tage Licht
hatte, Roth-Albig ohnehin, die sie sich mit einem maliziösen Lächeln auf den Lippen vorstellte. Sie selbst dagegen war durch das Mikrolämpchen für alle deutlich zu erkennen. Exponiert im Scheinwerferlicht.
Das Schweigen zog sich in die Länge.
Plötzlich fühlte sie ein unangenehmes Kribbeln unter der Haut, eine Unruhe, die sich im ganzen Körper auszubreiten begann. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, die Finger, die Hände, die Arme wurden leicht und kraftlos.
Redet mit mir!
»Sie denken, ich übertreibe?«, fragte sie atemlos.
Keine Antwort.
Also erzählte sie.
Offenbarte, was in Constantine geschehen war.
45
KABYLEI
Ein weiterer Mann war zu ihnen gestoßen, der Fahrer des Renault. Er hatte unten im Dorf die Straße beobachtet, Eleys Wagen, war ihm dann gefolgt. Ein vierschrötiger, älterer Kabyle, ein Bauer, dem von Wind und Wetter gegerbten, dunklen Gesicht nach.
»Personne«, sagte er knapp.
Madjer nahm einen der Rucksäcke und reichte ihn Eley. »Sie sind also ein Einzelgänger, Monsieur?«
Er schulterte das Gepäck, antwortete nicht.
»Und Sie suchen den Tod.« Madjer hob die Hand, deutete auf den Hang. »Hier finden Sie ihn.«
Eley folgte seinem Blick. »Sie haben Minen gelegt?«
»Nicht wir. AQMI . Und ein paar haben die Franzosen damals vergessen.«
Die Sonne stand jenseits der Kuppen, die Dämmerung zog herauf. Dicht hintereinander gingen sie über das steile Geröllfeld, vorn der Mann aus dem Steinhaus, dann Eley, hinter ihm Madjer und der Fahrer.
Wenig später blieb der Mann vor ihm stehen und wandte sich halb um. »Leise jetzt und schnell.«
Madjer wies nach Süden. Ein paar graue Bergspitzen, gewellte, von Felsbrocken gesprenkelte Ebenen, tiefe Einschnitte, Höhlen. »Eine kabylische AQMI -Zelle. Meistens lassen sie uns in Ruhe. Manchmal müssen wir teilen.«
»Teilen unter Brüdern«, sagte Eley.
Madjer lächelte. »Verwechseln Sie uns nicht mit Terroristen.«
»Entführung, Mord, das kennt man von al-Qaida.«
»Monsieur Richter wird in ein paar Tagen freikommen. Toni wurde erschossen, als sie fliehen wollten. Er hat drei unserer Männer getötet. Aber ich gebe Ihnen recht, ohne Gewalt und Tote geht es nicht.«
»Die Revolution?«
»Ein großes Wort, Monsieur Eley.«
»Zu groß. Sechshundertfünfzigtausend Sicherheitskräfte, wie wollen Sie gegen die bestehen?«
»Ein paar von ihnen sind auf unserer Seite.« Madjer lachte vergnügt. »Ganz abgesehen davon haben wir keine Eile. Wir werden erst losschlagen, wenn wir auch gewinnen können.«
»Und die Dschihadisten? Binden Sie die in Ihre Revolution ein?«
»Das ist noch nicht entschieden.«
»Sie benutzen sie längst. Verstecken sich hinter denen.«
»Ja«, gab Madjer zu.
»Vertreiber der Ungläubigen«, sagte Eley spöttisch.
»Gefällt Ihnen Die Namenlosen besser?«
»So nennen Sie sich?«
»Vielleicht. Die PR -Abteilung überlegt gerade.«
»Al-Qaida wird Algerien fluten, wenn Sie einen Bürgerkrieg anfangen.«
»Gehen wir«, zischte der Mann aus dem Steinhaus.
»Was ist mit Richter? Ist er in Ordnung?«
Madjer runzelte die Stirn. »Er glaubt, dass wir ihn töten werden. Ehrlich gesagt war ich mir heute Morgen nicht sicher, ob er durchhalten wird.«
Rasch überschritten sie den Hügelkamm, folgten einem Pfad, der schräg ins Tal hinabführte. Nachdem sie einen Wald erreicht hatten, verringerte der Mann vor Eley das Tempo.
An einem Bach rasteten sie, tranken, rauchten, umgeben von kahlen Bäumen. Eley teilte die Reste seines Brotes mit Madjer, die beiden anderen saßen ein Stück abseits. Er dachte an Amel, ein Wochenende in den Bergen südlich von Algier, zwischen Blida und Medea auf knapp eintausend Metern Höhe. Sie waren durch Bäche wie diesen gestapft, durch stumme Zedernwälder gegangen, unvermittelt den Duft einer der zahlreichen Orangenplantagen in der Nase. Zuvor hatte Amel ein unendlich kompliziertes Arrangement ausgeheckt, mit vielen Lügen und Sorgen, um das Ferienhaus entfernter Verwandter angeblich für sich und drei Kolleginnen mieten zu können, während sich Naoual um ihre Mutter kümmerte.
Sie weiß, dass da ein Mann ist, aber sie weiß auch, dass ich solche Tage brauche, und deshalb verzeiht sie mir die Lügen.
Beim nächsten Mal nehmen wir sie mit.
Wissen und sehen ist ein großer Unterschied, chéri.
Einen Tag hatte Amel benötigt, um die Lügen und die Sorgen abzuschütteln, am Morgen des zweiten Tages war ihr Blick klar und glücklich gewesen. An einem Bach hatte Eley sie auf
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