Ein paar Tage Licht
den Rücken genommen, war mit ihr durchs Wasser gelaufen, ihre Arme um seinen Hals, ihre Wange an seiner, hatte ihren Atem gehört, ihr Flüstern. Fast eine Stunde lang hatte er sie getragen, und fast ebenso lang hatte sie ihm ins Ohr geflüstert, von ihrer Liebe zu ihm gesprochen, von ihren Fantasien für die Zukunft, ihren Hoffnungen und Ängsten und am Ende, wie so oft, von jener Nacht 1996, als die Vermummten ihr Dorf überfallen, ihren Vater und Onkel geköpft und ihr die Erinnerung daran für immer ins Gesicht geschlagen hatten. Mit dem Schlag kam ein grelles Licht, für ein paar Tage habe ich im linken Auge Licht gehabt, obwohl ich es nicht öffnen konnte, da war ein schreckliches Licht in meinem Kopf …
Irgendwann war Eley erschöpft ins Gras gesunken, vorsichtig, um ihr nicht wehzutun.
Ich werde nicht loslassen, hatte sie gesagt.
Ich auch nicht.
Dann wohnen wir von jetzt an hier.
Eley bemerkte, dass Madjer ihn musterte, als warte er auf weitere Fragen. Er sagte nichts, hatte die Fragen aufgeschoben, um nicht zu früh zu verraten, was er wusste oder ahnte. Die Frage zum Beispiel, wer Djamel Benmedi war. Wo er war. Was es mit den Meininger-Rau-Gewehren auf sich hatte.
Erst musste er mit Richter sprechen.
»Sie haben sich in Algier in Schwierigkeiten gebracht«, sagte Madjer. »Die Regierung verlangt, dass Sie abgezogen werden.«
Eley warf die Zigarette in den Bach. »Wir werden sehen.«
»Man hat Sie zur Persona non grata erklärt.«
»Das ging schnell.«
»General Soudani hat großen Einfluss, wie Sie wissen.«
»Und Sie werden mich seinen Leuten ausliefern?«
Madjers Schnauzbart zuckte, offenbar ein amüsanter Gedanke. »Nein. Sie werden Algerien am Montag zusammen mit Monsieur Richter verlassen. Wir bringen Sie nach Italien.«
Montag, dachte Eley unruhig. Alles, was Madjer und dessen Leute planten, würde also vor Montag geschehen. Er schüttelte den Kopf. »Ich muss nach Algier zurück.«
»So?« Madjer lächelte.
»Hab da noch was zu erledigen.«
Madjer zog eine weitere Zigarette aus der Schachtel, bot ihm eine an, gab ihm Feuer. Eley sah auf die kleinen, zielstrebigen Hände, sah das Schild vor sich, das sie am Flughafen von Constantine gehalten hatten, MONSIEUR ATLAS . Schmale Finger, kein Ehering, verheiratet mit einer Mission, anders war es nicht zu erklären. Madjer war ein Schläfer gewesen, hatte zwei, drei Jahre lang auf den Tag der Tage gewartet.
»Vielleicht lässt sich das telefonisch erledigen?«
Erneut schüttelte Eley den Kopf.
»Nun, wie sagten Sie eben – wir werden sehen.«
»Ich fahre nach Algier zurück, und ich werde Richter mitnehmen.«
Madjer klopfte ihm freundschaftlich auf den Arm. »Nein.«
Sie gingen weiter, ließen den Bach rechts liegen, ein winziger Pfad führte quer durch den Wald. Madjer sagte, sie müssten jetzt noch vorsichtiger sein als vorhin. Eley hielt den Kopf gesenkt, achtete darauf, die Füße exakt in die Spuren des Mannes aus dem Dorf zu setzen. Mehr als einmal meinte er, auf und neben dem Pfad etwas Metallisches zu sehen, mal dunkel, mal silbrig, aber er hätte nicht sagen können, ob ihm nicht die Angst einen Streich spielte.
Der Weg stieg leicht an, dann hatten sie einen Kamm erreicht und blickten über einen abfallenden Hang weit ins Land hinein, über das sich die farblose Abenddämmerung legte. Sie folgten dem Kamm, schneller jetzt, jeder für sich, hier lagen keine Minen.
Eley wartete, bis Madjer zu ihm aufgeschlossen hatte. »Wie haben Sie mich bemerkt?«
»Wir sind davon ausgegangen, dass Sie Phil folgen würden.«
»Toumi.«
Madjer zuckte mit den Schultern.
»Und in Tizi Ouzou haben Sie mich dann gesehen?«
»In Larbaâ Nath Irathen. Einer unserer Leute hat das Diplomatenkennzeichen bemerkt. Ein Polizist.« Madjer lächelte zufrieden.
»Die Schlägerei war inszeniert, oder?«
»Die Kabylen sind friedliche Menschen und gute Schauspieler.«
Die Hänge rechts und links fielen immer weniger steil ab, bis eine breite Grasebene entstanden war, in deren Mitte sie sich voranbewegten. Eley spürte in den Beinmuskeln, dass sie sich leicht nach oben wölbte. Der Blick reichte nicht mehr weit, man konnte jetzt fast zusehen, wie es dunkler wurde.
Er fragte, weshalb Phil hatte sterben müssen.
»Unser Freund Phil«, sagte Madjer sanft. »Er wusste viel. Entscheidendes, verstehen Sie?«
»Namen, Orte, Pläne.«
»Richtig.«
»Hat er das Geschäft mit Meininger Rau vermittelt?«
»Er war, nun ja, involviert.«
»Und von ihm
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