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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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du?«
    »Nein. Der Schrank stinkt.«
    »Alles stinkt«, bestätigte Samantha. »Ich nehme Parfüm. Hast du kein Parfüm?«
    »Eau de Toilette.«
    »Geht auch. Im Bad?«
    Fabio nickte. Samantha ging ins Bad, kam mit seinem Acqua di Parma zurück und begann die Schrankregale einzusprühen. Großzügig.
    »He, Vorsicht, das Zeug ist teuer.«
    »Parfüm muß teuer sein, sonst taugt es nichts.«
    Samantha trank ihre Heimwehdrinks und erzählte von Guadeloupe. »In Guadeloupe«, behauptete sie, »kannst du nicht verhungern. Wenn du Hunger hast, nimmst du dir, was auf der Insel wächst. Bananen, Kokosnüsse, Ananas, Papaya. Jeder darf sich bedienen. C'est ça le Guadeloupe!«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Parce que j'suis conne.«
    Nach dem dritten Drink fragte sie: »Stört es dich beim Arbeiten, wenn ich mich ein wenig hinlege? Ich bin ganz still.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, schob Samantha die Wäsche beiseite, legte sich hin und schloß die Augen. Eine Minute später war sie eingeschlafen.
    Fabio wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
    Die meisten der zweiundzwanzig Nachrichten waren von der Redaktion weitergeleit ete Mails. Werbesendungen von Dienstleistungen, auf die er abonniert gewesen war: spezialisierte Suchdienste, Online-Zeitungen, Internet-Shops. News von Software-Herstellern, bei denen er Programme heruntergeladen hatte. Dubiose Kreditangebote. Ein Kettenbrief mit einem Zitat des Dalai-Lama. Zwei Links für Pornoseiten.
    Ganze zwei private Nachrichten waren darunter. Die eine stammte von einem Kollegen aus Rom und war eine Einladung, seine Homepage zu besuchen. Die andere war die einzige, die nicht von der Redaktion umgeleitet worden war. Sie war direkt an [email protected] adressiert.
    Das Interessanteste war ihr Absender: [email protected].
    Fabio hatte sich die Nachricht am 18. Juni selbst geschickt. Drei Tage vor dem Ereignis. Sie trug den Betreff »Backup« und enthielt ein Dokument. Nichts Ungewöhnliches. Wenn er auf Reportage war, sicherte er oft seine Arbeit, indem er sie sich selber mailte. Falls seinem Powerbook etwas zustieß, hatte er immer noch eine Kopie auf seinem Server.
    Das beigefügte Dokument hieß »1. Fassg.«. Fabio lud es auf seine Festplatte, öffnete es und las:
    Schoko-Schock (Arbeitstitel. Alternative: Dr. Barths Vermächtnis)
    Der Freitag, 27. April, war ein feuchter, grauer Tag, wie geschaffen für das, was Dr. Andreas Barth, 52, vorhatte. Er räumte sein Büro auf, setzte sich in seinen roten Volvo und fuhr Richtung Stadt. Bei der Busstation Feldau parkte er seinen Wagen, schloß ihn ab und ging zu Fuß durch die Bahnunterführung Richtung Feidauerkurve. Dort stellte er sich auf das Gleis und ließ sich vom Intercity aus Genf überfahren.
    Niemand konnte sich erklären, weshalb. Bis seine Frau, Jacqueline Barth, 49, in seinem Nachlaß auf eine Archivschachtel stieß. Deren brisanter Inhalt liegt dem SONNTAG-MORGEN vor.
    Dr. Barth war Lebensmittelchemiker. Er leitete die Abteilung Lebensmittelkontrolle der LABAG, eines renommierten Privatlabors, das für Unternehmen und staatliche Stellen arbeitet. Eine von Dr. Barths Aufgaben war die Entwicklung neuer Labormethoden. Sein wichtigstes Projekt: ein Verfahren, mit dem in Lebensmitteln geringste Mengen von Prionen festgestellt werden können.
    Prionen sind Eiweiße, deren Struktur aus bisher unbekannten Gründen verändert ist. Sie sind erwiesenermaßen der Auslöser von BSE, dem Rinderwahnsinn, und mit größter Wahrscheinlichkeit auch von dessen menschlicher Form, der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die spätestens sechs Monate nach dem Auftreten der ersten Symptome zu einem schrecklichen Tod führt.
    Es folgte eine kurze Schilderung der Krankheit und ihrer Symptome.
    Dr. Barth arbeitete parallel an zwei verschiedenen Modellen. Kurz vor Weihnachten des letzten Jahres zeigte eines der beiden (er nannte es LTX Brth) erste Resultate. Es wies in Bratwürsten Prionen nach, die er im Laborversuch in die Wurstmasse injiziert hatte.
    Er wiederholte den Versuch mit anderen Produkten: Backwaren, Instantsuppen, Milchprodukten, Schokolade, Gefriermenüs. Immer gelang ihm der Nachweis von Prionen, mit denen er sie in einem Stadium der Herstellung verunreinigt hatte.
    Im Februar geschah etwas Seltsames: Bei einem Experiment, bei dem es um die Technik der Probeentnahmen ging, war ein nicht präparierter Schokoriegel positiv. Dr. Barth zweifelte die Resultate an. Er führte mehrere Referenztests durch. Immer mit dem gleichen Resultat:

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