Redaktion seinen Zugang zum Verlagsserver gesperrt und er sich einen privaten Internetzugang eingerichtet hatte.
Die zweite ging an
[email protected]. Betreff: ›Liebe‹. Text: ›Ich liebe Dich. F.‹ Noch nie hatte Fabio das Outcast so leer gesehen. Wer nicht in den Ferien war, war auf der Terrasse des Landeggs, in der Hoffnung, daß der See etwas Kühlung brachte. Nur eine Handvoll Tische war besetzt. Die meisten von Leuten aus der Agglomeration, die auch einmal in der In-Bar der Stadt gewesen sein wollten.
Fabio hatte es nicht mehr ausgehalten im Apartment. Einer, der sich selbst fremd ist, sollte sich nicht ständig in fremden Dekors aufhalten. Vielleicht begegnete er in dieser vertrauteren Umgebung dem alten Fabio wieder. Und falls nicht, hatte er ein paar Stunden totgeschlagen.
Nero war an der Bar. Fabio kannte ihn schon vom Checkpoint und von der Rosita-Bar, zwei früheren In-Bars. Er hatte stets bezweifelt, daß Nero sein richtiger Name war. Er paßte zu gut zu ihm. Er sah aus wie der junge Peter Ustinov als Kaiser Nero, nur fieser.
»Ciao«, sagte Nero und schaute ihn fragend an.
»Etwas gegen die Hitze.«
Nero holte ein großes Glas vom Regal, ging an die Eismaschine, füllte es und stellte es vor Fabio hin. »Alle zwei Minuten eins in den Kragen. Und zum Trinken?«
»Etwas gegen die Depression. Alkoholfrei.«
Das brachte Nero dazu, seine beiden Goldzähne zu zeigen.
»Freut mich, daß du wieder okay bist.«
»Bin ich nicht.«
»Immerhin hieß es, du lägest im Koma.«
»Glaub nicht jeden Scheiß.«
»Das ist mein Beruf. Was trinkst du? Geht auf mich. Immer der erste Drink nach dem Koma.« Nero schien froh, an einem so ruhigen Abend einen Gesprächspartner gefunden zu haben. Fabio war auch nicht unglücklich darüber. Er bestellte ein alkoholfreies Bier. Sah besser aus an einer Bar als ein Mineralwasser.
Etwa eine Stunde lang blödelte er mit Nero und begann, sich besser zu fühlen.
»Nicht mehr mit Marlen?« fragte Nero unvermittelt. Fabio schüttelte den Kopf.
»Harter Schlag.«
»Sie wird es verschmerzen«, sagte Fabio nonchalant.
»Sie arbeitet daran«, sagte Nero grinsend und deutete mit dem Kinn auf eine laute Gruppe, die eben hereingekommen war. Eine der Frauen war Marlen. Sie trug das Kleid mit der magischen Befestigung und hatte den Arm um den Hals eines jungen Mannes mit eine m exakten Latino-Bärtchen gelegt.
Jetzt hatte sie ihn auch gesehen. Sie hob die Schultern und die Augenbrauen, verharrte eine Sekunde so und ließ beides wieder fallen. Fabio antwortete ebenfalls mit einer bedauernden Geste.
Marlen wandte sich wieder ihrem Begleiter zu, Fabio seinem Barman. Er bestellte noch ein Bier.
»Ohne Alkohol?«
»Vielleicht mit ein bißchen«, antwortete Fabio.
Er kam vor Mitternacht in sein Apartment zurück. Jemand hatte einen Briefumschlag unter der Tür durchgeschoben mit den Quittungen für Samanthas Einkäufe, dem exakten Betrag und einem Kärtchen mit einem großen roten Kußmund.
Am nächsten Morgen war Krafttraining. Jay wich die ganze Stunde nicht von Fabios Seite, steigerte die Gewichte, verkürzte die Intervalle und erhöhte die Serien. Am Schluß wog und vermaß er ihn, führte ihn in sein winziges Büro und übertrug die Daten in Fabios Computerdatei. »Frag mich, wieviel Fortschritte du gemacht hast.«
»Wieviel?«
»Null.«
Auf einem Wandregal stand eine ganze Reihe verschiedener Power-Drinks und Protein-Mixturen. Fabio deutete darauf und sagte: »Vielleicht, weil ich nichts von diesem Zeug nehme.«
»Solltest du vielleicht.«
Fabio tippte sich an den Kopf. »Nicht gut für hier oben.«
Jay spannte einen seiner überdimensionierten Bizepse an.
»Wenn du es hier hast, brauchst du's hier oben nicht.«
»Das glaubst du im Ernst?«
»Das glaubt ihr, daß wir das im Ernst glauben.«
»Wer ›ihr‹?«
»Ihr Klugscheißer, die man unter der Vierzig-Kilo-Hantel rausholen muß.«
Um elf hatte Fabio einen Termin in der Personalabteilung. Sarah Mathey hatte ihn vermittelt. »Um die offenen Fragen zu regeln.«
Die Besprechung fand im Büro des Personalchefs statt. Er hieß Koller und war unbeliebt, wie alle Personalchefs, die etwas taugten. Er hatte Nell aufgeboten, den zuständigen Buchhalter. Fabio hatte ihn aus verschiedenen Episoden, meistens im Zusammenhang mit Spesenabrechnungen, in unangenehmer Erinnerung.
Die offenen Fragen drehten sich alle um Geld. Koller stand auf dem Standpunkt, daß Fabio selbst sein Ausscheiden vor der Kündigungsfrist