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Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Hafenpromenade. Fabios Zimmer war eines der wenigen ohne Meerblick. Aber wenn er sich etwas aus dem Fenster lehnte, konnte er den Dom von Amalfi sehen.
    Er packte seine Tasche aus, rasierte sich, duschte und zog sich um. Er hatte ein zweites Paar Hosen, ein Polo und ein weißes Hemd mitgenommen. Das Jackett aus beiger Baumwolle sah von der langen Reise etwas mitgenommen aus. Er war sich nicht sicher, ob er damit den Ansprüchen des Santa Caterina genügen würde. Eine Krawatte konnte nichts schaden.
    Er ging zielstrebig. Nur Touristen schlenderten ziellos, und Fabio haßte es, in Italien für einen Touristen gehalten zu werden. Er überquerte den Platz am Hafen und strebte dem Domplatz zu, als würde er erwartet. Dort ging er an den Geschäften vorbei und betrat das erste, das aussah, als verkaufe es Krawatten.
    Eine Klingel ertönte, als er die Tür öffnete. Es roch nach Lavendel. In die getäfelten Wände waren Vitrinen eingelassen. Sie enthielten Seidenschals, Krawatten, Handschuhe , Spitzentaschentücher und andere Accessoires. Ein Schaukasten war voll mit etwas angestaubten Souvenirs: Serviettenringe, Manschettenknöpfe, Mokkalöffelchen und Anhänger, alle mit dem Wappen von Amalfi. Auf zwei Gestellen in Augenhöhe waren Panamahüte aufgereiht, eine Reihe für die Dame, eine Reihe für den Herrn.
    Eine alte Frau kam langsam und gebeugt aus dem Hinterzimmer. Ihre Lippen waren dunkelrot und ihre Augen verschleiert durch schwere, falsche Wimpern. Sie schenkte Fabio ein reizendes Lächeln und beriet ihn so fachmännisch bei der Wahl einer Krawatte, daß er schließlich zwei kaufte. Beide waren weich und fein gemustert und ließen sich zu kleinen, eleganten Knoten knöpfen, wie sie Fabio gefielen.
    Er bezahlte mit Kreditkarte. Während die alte Dame die Autorisation einholte, schaute er sich die Auslagen an. Eine Vitrine enthielt Korallenschmuck. Anhänger mit kleinen roten Korallenzweigen, Ohrstecker, Ringe, geschnitzte Figuren. Den Mittelpunkt der Auslage bildete eine Kette aus gleich großen, roten Korallenperlen. Sie bildete einen Kreis um eine nicht einmal daumengroße Mädchenfigur.
    »Die Nymphe Amalfi«, sagte die alte Dame, die mit der Kreditkartenquittung vom Telefon zurückgekommen war. »Die große Liebe von Herkules. Als sie starb, begrub er sie am schönsten Ort der Welt und nannte ihn nach ihr. Amalfi.«
    »Was kostet sie?«
    »Sie ist nicht zu verkaufen.«
    »Und die Kette?«
    »Sie ist teuer. Sie stammt aus der Zeit, als es hier noch Korallen gab. Diese Farbe in dieser Qualität finden Sie nicht mehr.«
    »Wie teuer?«
    »Eine Million zweihunderttausend.«
    Das waren fast tausend Franken. Aber auf seinem Konto lagen noch beinahe zehntausend. Und die Schlußabrechnung der Redaktion würde noch einmal etwas bringen. Er kaufte die Kette.
    Es war halb acht. Die Hügel verdeckten die Sonne schon seit einiger Zeit. Aber der Farbe des Wassers war anzusehen, daß sie vor Capri gerade blutrot im Meer versank.
    Fabio stand an der Brüstung der Terrasse und schaute zu, wie in Amalfi nach und nach die Lichter angingen. Tief unter ihm beim Meerwasserpool und der Strandanlage schloß der Bagnino die Sonnenschirme. Hinter ihm das gedämpfte Stimmengewirr der Gäste, die sich bei ein paar Snacks und Drinks die Zeit bis zum Nachtessen vertrieben.
    Wenn alles überstanden ist, dachte Fabio, fahre ich mit Norina hierher.
    Er ging an die Bar und bestellte ein Analcolico, das dem Rahmen noch am ehesten gerecht wurde. Er setzte sich in einen der antiken Fauteuils in der luftigen Marmorhalle und rauchte.
    Als Jacqueline Barth kurz darauf in die Halle kam und auf die Bar zusteuerte, hätte er sie beinahe nicht erkannt. Sie war gebräunt und geschminkt. Ihre Haare, die er dunkel und streng frisiert in Erinnerung hatte, waren blond und fielen ihr auf die Schultern. Sie trug ein pistaziengrünes, ärmelloses, hochgeschlossenes Leinenkleid und flache Schuhe.
    Erst als er aufstand und sie ihm vage und unerfreut zunickte, war er sicher, daß sie es war.
    »Das kann ja wohl kein Zufall sein« waren ihre ersten Worte, als sie Fabio die Hand gab. Sie war seit der letzten Begegnung ein paar Jahre jünger geworden.
    »Es tut mir leid, daß ich Sie in Ihren Ferien belästigen muß.«
    »Weshalb müssen Sie?«
    Der Barman brachte ihr ein Glas Champagner. Fabio hatte nicht bemerkt, daß sie eines bestellt hätte.
    »Ein paar neue Erkenntnisse.«
    »Die sich nic ht telefonisch besprechen lassen?«
    »Sonst wäre ich nicht sechzehn

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