Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein perfekter Freund

Ein perfekter Freund

Titel: Ein perfekter Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
Tag werden.
    Dem spärlichen Verkehr nach zu schließen, war es spät, als er hörte, daß sich ihr Atmen verändert hatte. Sie mußte erwacht sein und war jetzt dabei, sich zurechtzufinden. Sie stand leise auf. Fabio stellte sich schlafend. Er hörte, wie sie ins Bad ging. Als sie wieder herauskam, sah er im Licht der offenen Badezimmertür, daß sie ihren Anzug ausgezogen hatte. Sie trug nur noch Höschen und Trägerhemd und schlüpfte wieder ins Bett.
    Fabio erwachte und fühlte Norinas Brust in seiner linken Hand. Er wagte nicht, sich zu rühren.
    Millimeterweise bewegte er die Hand von der linken zur rechten Brust. Er spürte, wie ihre Brustwarzen hart wurden.
    Jetzt erst öffnete er die Augen. Als sie sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, sah er, daß sie ihn anschaute. Er beugte sich über ihr Gesicht und küßte sie.
    Sie küßte verzweifelt zurück.
    »Es ist nicht richtig, was wir tun«, stöhnte sie einmal.
    »Nein, richtig ist es nicht«, keuchte er.
    Fabio lag auf dem Rücken, Norina war an seine Seite geschmiegt. Es dämmerte. Er hörte den Lärm der Spatzen und das Trommeln des Regens auf dem Fensterblech.
    »Weißt du, daß ich dich gestern zum ersten Mal weinen sah?« flüsterte Norina. Er zog sie etwas fester an sich.
    Kurz vor sieben stand Fabio auf und kochte Tee. Als er ihn ans Bett bringen wollte, war Norina aufgestanden. »Wir drehen um neun, und ich muß noch nach Hause, mich umziehen«, erklärte sie.
    »Ich begleite dich ein Stück, ich muß ins Tai Chi.«
    »Du gehst ins Tai Chi?«
    »Als Therapie. Mein Gleichgewicht wiederfinden.«
    Unter der Dusche war ihm, als hätte er es klingeln hören. Als er aus dem Bad kam, hatte Norina ein seltsames Lächeln. »Ein schwarzes Mädchen war hier. Sie läßt dir auf Wiedersehen sagen, sie sei den nächsten Monat in München.«
    »Sie ist eine Tänzerin aus Guadeloupe.«
    »Was für eine Art Tänzerin?«
    »Die Art, die du vermutest.«
    »Sie ist wunderschön.«
    »Wenn man den Typ mag.«
    »Und sie trug deine Korallenkette.«
    Als sich ihre Wege trennten, fragte Fabio: »Und jetzt?« Norina hob ratlos die Schultern.
    »Wenn du willst, helfe ich dir, Lucas' Sachen durchzusehen. Ich weiß, wonach wir suche n.«
    Norina zögerte. »Ich ruf dich an.«
    Sie wußten nicht, ob sie sich küssen sollten oder nicht, und taten etwas dazwischen.
    Im Tai Chi hatte Fabio diesmal nur Erfolgserlebnisse. Fast alles gelang ihm ohne Wanken: Storch breitet die Flügel aus; fasse den Vo gel beim Schwanz; Spiele die Laute; Tiger umarmen und zum Berg zurückkehren; Wolkenhände links; Wolkenhände rechts und die Jadeprinzessin am Webstuhl.
    Nur die gehockte Peitsche und der Stoß zu den sieben Sternen brachten ihn noch ein wenig ins Rudern.
    Am Ende der Stunde nahm ihn Horst Weber beiseite. »Herr Rossi«, sagte er feierlich, »ich glaube, Sie sind auf gutem Weg, Ihre Mitte wiederzufinden.«
    Fabio nickte. »Nicht wahr?«
    Später, unter der heißen Dusche, dachte er an Norina und genoß das angenehme Gefühl in seiner Mitte.
    Es hatte aufgehört zu regnen. Durch einen Riß in der Wolkendecke schien die Julisonne auf die nasse Stadt. Fabio ging bei Dr. Vogels Praxis vorbei und holte sein Rad aus dem Keller. Nach ein paar hundert Metern hatte sich wieder das alte Fahrgefühl eingestellt. Er schlängelte sich durch den Stadtverkehr, als hätte er nie Gleichgewichtsprobleme gekannt.
    Das Apartmenthaus Florida besaß keinen Fahrradraum. Er stellte das Rad in die kleine Treppenhalle neben dem Aufzug und nahm die Treppe. Er wollte sich ein Viertelstündchen ins ungemachte Bett legen und Norina riechen.
    Frau Micic war im Apartment gewesen und hatte das Bett frisch bezogen. Seine gebügelte Wäsche lag darauf und ein Zettel mit der Nachricht: »34.-«
    Fabio verfluchte die serbische Ordnungsliebe und setzte sich an den Computer. Er hatte sich die immer wiederkehrenden Namen der Immunoassay-Spezialisten herausgeschrieben und versuchte jetzt, ihre E-Mail-Adressen herauszufinden. Bei den meisten gelang es ihm auf Anhieb. Er schrieb ihne n eine gleichlautende Nachricht:
    Betrifft: Nachlaß Dr. Andreas Barth Sehr geehrter Herr Bei der Rekonstruktion der Forschungsarbeit von Dr.
    Andreas Barth stießen wir auf Ihren Namen. Dr. Barth verstarb im April dieses Jahres. Er hatte sich in den letzten Monaten seines Lebens intensiv mit einem Projekt der Immunoassay-Technik befaßt. Falls Sie als einer der herausragenden Spezialisten auf diesem Gebiet von Dr. Barth kontaktiert wurden,

Weitere Kostenlose Bücher