Ein perfektes Leben
Scheiße, ich glaube, ich beneide dieses Arschloch.
»Was hältst du davon, Kollege?«, fragte Manolo, als er den Motor anließ. El Conde rauchte seine Zigarette bis zum bitteren Ende, die Zigarette, die er sich in der Wohnung von María Antonia verkniffen hatte.
»Lass uns in die Zentrale fahren. Wir müssen mit dem Alten sprechen, vielleicht können wir noch heute den Vizeminister treffen, der für Rafaels Unternehmen zuständig ist«, sagte Mario und blickte noch einmal zurück zu dem dunklen Eingang des Hauses, in dem Rafael Morín geboren worden war. »Wieso hat er sich eigentlich nicht darum gekümmert, seiner Mutter eine andere Wohnung zu besorgen?«
Der Wagen fuhr über die 10 de Octubre zur Agua Dulce, und Manolo beschleunigte auf der abschüssigen Straße.
»Genau das hab ich mich auch gefragt. Für mich passt dieses Mietshaus einfach nicht zu Rafael Moríns Leben.«
»Oder viel zu gut, wer weiß? Jetzt müssen wir rauskriegen, wo er sich den ganzen Nachmittag des Einunddreißigsten aufgehalten hat. Oder ob er wirklich in der Firma war, und warum er Tamara dann erzählt hat, er würde bei seiner Mutter bleiben.«
»Da wirst du wohl mit ihm selbst sprechen oder dir einen Hexenmeister suchen müssen, einen babalao, der für dich die Muscheln wirft oder dir den Weg frei macht, oder?«, erwiderte der Sargento und hielt vor der roten Ampel Ecke Toyo. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig wand sich die Schlange für das unvermeidliche Sonntagsbrot fast um den gesamten Häuserblock. »Übrigens, Conde, hier gleich um die Ecke wohnt Vilma.«
»Wie wars gestern Abend?«
»Bestens! Das Mädchen ist Spitze, vielleicht heirate ich sie sogar, stell dir vor!«
»Ja, ja … Hör mal, Manolo, die Geschichte kenn ich bereits, aber meine Frage bezog sich auf unsere Arbeit und nicht auf Vilma und dein Sexualleben! Also, reiß dich zusammen … Und eins versprech ich dir, wenn du dir bei deiner Hurerei Aids einfängst, komm ich dich einmal im Monat in der Klinik besuchen und bring dir ein gutes Buch mit.«
»Sag mal, Maestro, was ist heute los mit dir? Bist du mit beiden Füßen auf dem Gaspedal aufgewacht?«
»Halt die Luft an, Mann! Ja, ich bin heute so richtig in Fahrt. Hab langsam die Schnauze voll von Rafael Morín. Als ich seiner Mutter zugehört habe, hab ich mich sauschlecht gefühlt, so als wär ich irgendwie Schuld daran ….«
»Ist ja schon gut. Aber deswegen musst du deinen Ärger nicht an mir auslassen«, maulte der Sargento und spielte den Beleidigten. »Also, hör zu: El Greco und Crespo sind seit gestern Abend hinter dieser Zoilita her. Sie sollten mir heute um zehn Bericht erstatten, wahrscheinlich warten sie schon auf uns. Außerdem hab ich eine Liste aller Fälle mit Verschwundenen aus den letzten zwei Jahren angefordert, die krieg ich um elf. Mal sehen, vielleicht ähnelt unser Fall ja irgendeinem anderen oder so. Aber, Conde, du legst ja ein Wahnsinnstempo vor.«
»Von der Zentrale aus kannst du auch versuchen, den Sicherheitschef des Unternehmens telefonisch zu erreichen. Frag ihn, ob Rafael dort war. Wenn ja, soll er mit dem Wachmann, der am Nachmittag des Einunddreißigsten Dienst hatte, einen Termin machen.«
»In Ordnung. Kann ich Musik anstellen?«
»Und die Antenne, woher hast du die nun wieder her?«
»Ein Freund, ein guter Freund … «, summte Manolo und zuckte lächelnd die Achseln. Er schaltete das Autoradio ein und suchte einen Musiksender. Nach zwei, drei Versuchen entschied er sich für Benny Moré. Oh, das Leben, sang Benny mit seiner klaren Stimme. Das Programm war offenbar seiner Musik gewidmet.
»Mir scheint, du übertreibst, Conde«, bemerkte Manolo, als sie über den Platz der Revolution fuhren und Heute wie gestern hörten. »Ob es uns passt oder nicht, dies ist ein Fall wie jeder andere. Du kannst dich nicht den ganzen Tag lang ärgern.«
»Manolo, mein Großvater hat immer gesagt, wer als Esel geboren wird, stirbt als Pferd … Und das ist doch ein Riesenfortschritt, oder?«
»Teniente, der Mayor sagt, Sie sollen sofort zu ihm kommen, sobald Sie hier auftauchen«, sagte der Dienst habende Offizier zu ihm. »Er ist oben in seinem Büro.« El Conde deutete einen Gruß an.
Die friedliche Sonntagmorgenstille erfüllte auch die Kripozentrale. All die Routinefälle, die sich schon zu lange hinzogen und keine Aussicht auf Erfolg mehr boten, und andere, die den normalen Prozess durchliefen, ohne Komplikationen, ruhten an diesem Tag. Die Ermittler ließen sich
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