Ein perfektes Leben
Mayor und griff zu seiner Zigarre, einer Davidoff 5000, die er erst vor kurzem angezündet hatte. »Noch einer, der verschwunden ist: mein Schwiegersohn. Aber bei dem wissen wir wenigstens, wo er steckt. Läuft mit einer Rotznase von neunzehn Jahren rum. Und die dumme Kuh von meiner Tochter liebt ihn immer noch! Verstehst du das? Nein, so was kann man nicht verstehen. Ich glaube, deswegen werd ich nie in Rente gehen! Hier muss man sich mit tausend Sachen rumschlagen, hat Probleme mit allen möglichen Leuten, Telefonanrufe von oben, Fälle, die einem den Schlaf rauben und so. Aber ich bin lieber in diesem Irrenhaus als im trauten Heim bei mir, wo ich bei allen möglichen Problemen den Schiedsrichter spielen muss. Meine andere Tochter, die Mirta, weißt du, was die vorhat? Nein, das kannst du ja nicht wissen … Hat auf der Uni einen Österreicher kennen gelernt, mit Haaren bis hier, und der läuft rum und erzählt, die Ozonschicht wär voller Löcher und das Meer wär verseucht und so Sachen. Und jetzt sagt sie, sie will ihn heiraten, er wär der empfindsamste Mensch der Welt und sie würd mit ihm weggehen, egal wohin. Weißt du, was das heißt? Scheiße, ich mag gar nicht dran denken. Aber ich schwörs dir, Conde, die heiratet mir nicht! Und jetzt das Theater mit meinem Schwiegersohn.«
»Ich dachte, Österreicher gibts überhaupt nicht mehr. Hast du jemals einen Österreicher gesehen?«
Der Mayor betrachtete seine Zigarre. »Nein, ehrlich gesagt, außer dem jetzt, glaub ich, keinen einzigen.«
Mario Conde grinste, und obwohl er nicht wusste, ob es angebracht war, riskierte er es: »Sag deinen Töchtern, hier ist ein Teniente im Angebot, ledig, ungebunden, nett, intelligent und zuverlässig, sucht Freundin, Tochter des Chefs angenehm.«
»Prima«, sagte der Mayor, doch er lächelte nicht. »Das hätte mir wirklich noch gefehlt … Sag mal, es ist kalt, ja?«
»Wer hat dir gesagt, dass du den harten Kerl spielen und im T-Shirt rumlaufen sollst?«
»Hab den Pullover im Wagen gelassen. Ich dachte, es wär halb so wild … Und wie kommst du voran?«
»Geht so.«
»Was ist los?«
»Weiß ich noch nicht so recht. Wir haben einige Anhaltspunkte, aber mir scheint nur einer brauchbar zu sein. Es ist unklar, wo Rafael Morín den Nachmittag des Einunddreißigsten verbracht hat. Seiner Frau hat er gesagt, er würde zu seiner Mutter gehen, und seiner Mutter, er würde in die Firma gehen. Und die Sekretärin sagt, der Dreißigste war der letzte Tag, an dem sie gearbeitet hätten. Außerdem suchen wir nach einer gewissen Zoilita, einer Bekannten von ihm, die seit dem Ersten nicht mehr gesehen worden ist. Und dann sieht es noch so aus, als hätte Rafael was mit seiner Sekretärin.«
»Wenn er gelogen hat, um zu vertuschen, wo er am Einunddreißigsten war, dann hat das etwas zu bedeuten, auch wenn dieses Etwas nichts mit seinem Verschwinden zu tun hat.«
»Stimmt. Aber jetzt würde ich mich gerne mit Alberto Fernández-Lorea unterhalten, dem Vizeminister. Noch heute, wenns geht. Die Party will mir einfach nicht aus dem Kopf. Du musst ihn anrufen.«
»Und warum nicht du?«
»Mir ist es lieber, wenn du das machst. Vergiss nicht, ich bin nur ein armer Polizist, wie man mir gestern gesagt hat, und er ist ein stellvertretender Minister.«
Der Mayor lehnte sich zurück und begann mit seinem Schreibtischstuhl zu wippen. Er zog an der Zigarre und stieß genüsslich blaue Rauchwolken aus. Mario Conde zog eines des Telefone zu sich heran und wählte eine Nummer.
»Hier, nimm, bei Fernández zu Hause klingelts«, sagte er und reichte seinem Vorgesetzten den Hörer. Der schickte sich schnaubend ins Unvermeidliche.
»Ich glaube, es ist niemand da.«
Er wollte den Hörer schon wieder auf die Gabel legen, hielt dann aber in der Bewegung inne und sagte: »Ja, hallo, ist da der Genosse Fernández-Lorea?« Seine Frage wurde positiv beantwortet, denn nun sagte er, dass man dringend mit dem Angerufenen sprechen müsse. »Ja, noch heute, falls es Ihnen nicht zu ungelegen kommt … Natürlich … In einer Stunde? … Okay, ja, bis dann, und vielen Dank … Teniente Mario Conde … Ja.« Er legte auf. »Zufrieden?«
»Einen schönen Gruß an deine Töchter«, sagte Mario statt einer Antwort. Er stand auf und rückte die Pistole zurecht.
»Ruf mich heute Abend zu Hause an und erzähl mir, was du Neues rausgefunden hast«, befahl der Mayor. Seine Stimme klang entschieden gebieterisch. »Viel Glück«, fugte er mit einem bewundernden Blick
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