Ein perfektes Leben
auf die makellose Asche seiner Davidoff hinzu.
El Conde ging in die zweite Etage hinunter und trat in sein winziges Büro. Sargento Palacios erwartete ihn. Er saß auf seinem Stuhl hinter seinem Schreibtisch.
»Fehlanzeige bei den Verschwundenen der letzten zwei Jahre, Conde«, verkündete er, »allesamt verrückt oder vergreist, durchgebrannte Ehemänner oder Ehefrauen, Jugendliche, die von zu Hause ausgerissen sind, oder Kinder, die von geschiedenen Eltern entführt wurden. Vergangenen Oktober nur ein einziger Fall: Eine Frau wurde von einem Mann gewaltsam entführt, dessen Liebe sie nicht erhört hatte. Und nur ein Fall ist bisher ungelöst: Ein dreiundzwanzigjähriger Mann wird seit April letzten Jahres vermisst. Es wird vermutet, dass er das Land auf ziemlich abenteuerlichen Wegen verlassen hat.« Manolos Stimme und sein Blick drückten Ablehnung aus. »Ich hab auch mit dem Chef des Sicherheitsdienstes von Rafaels Unternehmen gesprochen. Seine Frau arbeitet auch dort, und zufällig hatte sie am Einunddreißigsten von zwölf bis acht Uhr abends Dienst. Rafael Morín ist den ganzen Nachmittag nicht aufgetaucht, aber es gab einen anderen Besucher: René Maciques.«
»Freund Maciques … Und Zoilita?«
»Das ist wirklich ’n sauberes Früchtchen. Nach dem, was El Greco und Crespo rausgekriegt haben, hat die Kleine viele süße Schokoladenseiten und weiß, dass die Männer gerne daran knabbern. Im Moment wissen wir noch nicht, wo sie steckt. Aber das ist auch gar nicht so einfach. Sie ist nämlich ’n ganz heißes Geschoss, registriert als Prostituierte, aber ohne Vorstrafen. Ob Mexikaner oder Bulgare, ihr ist es egal, wer sie mitnimmt. Wohnt ’n paar Tage im ›Focsa‹ oder verbringt zwei Wochen im ›Internacional‹ in Varadero. Aber alle ihre Freunde haben ein Auto, einen guten Posten und vor allem Geld. Du weißt schon. Und wenn sie sich langweilt, bemalt sie Keramikteller und macht andere dekorative Dinge, und anscheinend macht sie das gut. An dem Tag, als sie verschwunden ist, hat sie niemand gesehen, und es weiß auch niemand, was sie an Sylvester gemacht hat. Ist in keinem Hotel gemeldet, und auch ihr Bruder weiß nicht, wo sie ist.«
Der Teniente hörte sich die Informationen über Zoilitas Liebesleben und Liebhabereien an und dachte, dass er gerne ein paar Sätze mit ihr gesprochen hätte.
Er stand auf und stellte sich ans Fenster. »Wir müssen sie unbedingt finden. Ich weiß nicht, aber irgendetwas sagt mir, dass die Kleine ’ne Menge mit Rafael Morín zu tun hat.«
»Sollen wir sie zur Fahndung ausschreiben?«
»Ja, man soll sie überall suchen, unter der Erde oder unter einem Kerl oder sonst wo.«
Mario musste wieder an Tamara denken. Scheiß was auf Tamara, dachte er, und plötzlich erinnerte er sich daran, dass er so bald wie möglich mit Miki Cara de Jeva, dem »Mädchengesicht«, sprechen musste. Er betrachtete den klaren blauen Himmel. »Los, komm«, sagte er schließlich zu Manolo, »gib die Fahndung raus, wir sehen uns unten am Wagen. Ein stellvertretender Minister erwartet uns.«
Er wohnte Ecke 7. und 38. Straße in einem dreistöckigen Haus mit roter Ziegelsteinfassade und großen Balkonen zur Avenida hin. Ein gefliester Weg führte durch einen Rasenteppich zu dem trotz seiner dreißig Jahre noch elegant und modern wirkenden Gebäude, das sich im Vergleich zu den umstehenden Wohnhäusern allerdings recht bescheiden ausnahm. Mario und Manolo stiegen schweigend die Treppe hinauf und klingelten an der Wohnung, die sich über die gesamte Etage erstreckte. Hinter der Tür waren die ersten Takte des Hochzeitsmarsches von Mendelssohn zu hören. Manolo lächelte und wiegte den Kopf im Takt. Der Hausherr öffnete die Tür.
»Kommen Sie bitte rein, ich hab Sie schon erwartet«, sagte er, und El Conde dachte: Den kenne ich. Alberto Fernández-Lorea ging auf die Fünfzig zu, hatte sich aber gut gehalten und im Laufe der Jahre wahrscheinlich kaum verändert. Bestimmt raucht er nicht und gehört zu den Joggern im Parque Martí, dachte Mario, während er sich zu erinnern versuchte, wo er ihn schon mal gesehen hatte. Mit seinem athletischen Körperbau, dem glatten, in der Mitte gescheitelten vollen Haar und der jugendlichen Erscheinung hätte der Vizeminister die Vorlage für Vargas Llosas Kunstschreiber abgeben können. »In der Blüte seines Lebens«, dieser Ausdruck traf auf Alberto Fernández-Lorea zu.
Der Hausherr forderte die beiden Polizisten zum Sitzen auf, entschuldigte sich für
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