Ein perfektes Leben
recht jung vor. Sie rieb sich die langen, knochigen Hände. Im Zimmer war es feucht und kalt.
»Am Einunddreißigsten gegen Mittag. Er brachte mir mein Neujahrsgeschenk, das Parfum da.« Sie zeigte auf das unverwechselbare Fläschchen Chanel N° 5, das auf der Kommode stand. »Er weiß, dass ich mich am meisten über Parfum freue, deshalb schenkt er mir immer welches. Zum Muttertag, zum Geburtstag, zu Neujahr. Er möchte, dass ich besser rieche als irgendwer im Viertel, sagt er immer, da können Sie mal sehen … Abends hat er mich noch mal angerufen, hier nebenan, bei der Nachbarin. Um mir ein frohes neues Jahr zu wünschen. Er war auf dieser Party, es muss kurz vor zwölf gewesen sein. Er ruft mich immer an, egal wo er ist, im letzten Jahr hat er mich aus Panama angerufen. Ja, ich glaube, es war Panama.«
»Und hat er hier mit Ihnen zu Mittag gegessen?«, fragte Manolo weiter, während er mit seinem knochigen Hintern auf dem Schaukelstuhl hin und her rutschte, bis er schließlich vorn auf der Kante saß. Er führte gerne Befragungen durch und machte dabei immer einen runden Buckel wie eine Katze mit gesträubtem Fell.
»Ja, ich hatte Bohneneintopf für ihn gekocht, den isst er so gerne. Weder seine Frau noch seine Schwiegermutter könnten das so gut wie ich, sagt er.«
»Und wie war er? So wie immer?«
»Wie meinen Sie das, Genosse?«
»Na ja, María Antonia, ob er Ihnen ein wenig nervös vorkam, besorgt, anders als sonst eben.«
»Er war in Eile.«
»In Eile? Hat er denn nicht den ganzen Nachmittag bei Ihnen verbracht?«
Die Alte hob den Blick zur Jungfrau von Cobre, dann fing sie an, ihre Beine zu reiben, so als täten sie ihr weh. Ihre Hände waren sehr weiß und ihre Fingernägel sehr sauber.
»Er ist immer in Eile, wegen seiner Arbeit. Ob dus mir glaubst oder nicht, Mami, hat er zu mir gesagt, ich muss heute Nachmittag noch mal in die Firma. So gegen zwei ist er dann gegangen.«
»Und war er nervös, besorgt?«
»Schauen Sie, Genosse, ich kenne meinen Sohn sehr gut, schließlich habe ich ihn geboren und großgezogen. Um eins hat er seinen Eintopf gegessen, und dann haben wir gemeinsam abgewaschen. Danach haben wir uns aufs Bett gelegt und uns ein wenig unterhalten, so wie wir es immer machen. Er legt sich gerne da aufs Bett, der Ärmste, er ist immer so abgespannt, so müde. Während wir miteinander geredet haben, sind ihm die Augen zugefallen.«
»Und wann ist er von hier fortgegangen?«
»So gegen zwei. Er hat sich das Gesicht gewaschen und mir erzählt, dass er abends zu dieser Party gehen wollte. Und dass er viel Arbeit hatte. Und er hat mir zweihundert Pesos gegeben. Kauf dir was Schönes zu Neujahr, Mami, hat er zu mir gesagt. Er hat sich noch den Mund ausgespült und sich gekämmt, und dann hat er mir einen Kuss gegeben und ist gegangen. Er war sehr liebevoll zu mir, wie immer.«
»Gibt er Ihnen immer Geld?«
»Immer? Naja, manchmal.«
»Hat er Ihnen gegenüber erwähnt, ob er Probleme mit seiner Frau hatte?«
»Darüber sprechen wir nie. Es ist so etwas wie ein stillschweigendes Übereinkommen.«
»Ein Übereinkommen?«, fragte Manolo und beugte sich noch etwas weiter zu der Alten vor. El Conde dachte: Wo das wohl hinführt?
»Also, mir hat diese Frau nie gefallen. Nicht dass sie irgendetwas getan hätte, nein, ich hatte auch nichts Bestimmtes gegen sie. Aber meiner Meinung nach hat sie ihn nie so behandelt, wie man einen Ehemann behandeln sollte. Sogar ein Dienstmädchen hat sie … Entschuldigen Sie, das sind Familiengeschichten. Aber ich glaube, sie war immer auf sich selbst bedacht.«
»Und was hat er zu Ihnen gesagt, als er ging?«
»Er hat von seiner Arbeit gesprochen und dass ich auf meine Gesundheit achten soll und so, wie immer. Und dann hat er mich mit dem neuen Parfum besprüht, mit dem, das er mir geschenkt hat. So ist er, ein guter Junge, das sag ich nicht, weil er mein Sohn ist, ich schwörs Ihnen. Fragen Sie die Nachbarn hier, die von früher, alle werden Ihnen dasselbe sagen: Er hat mehr aus sich gemacht, als man erwarten konnte. Das hier ist kein gutes Viertel, nein. Als junges Mädchen bin ich hierher gekommen, und ich wohne noch immer hier. Hab geheiratet, hab Rafael gekriegt und ihn unter den größten Schwierigkeiten großgezogen, ich ganz alleine, und … Entschuldigen Sie, ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber Gott und die Jungfrau von Cobre haben mir geholfen, ihn zu einem anständigen Menschen zu erziehen. Nie hat man mich zur Schule bestellt, und
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