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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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wir fahren?«, fragte Manolo, der die plötzliche Hektik seines Vorgesetzten nicht verstand. Doch da fiel ihm wieder ein, was über ihn gesagt wurde: »Er ist ziemlich verrückt, aber … «
    »Wir besuchen García, den von der Gewerkschaft. Aber keine Sorge, heute machen wir früh Schluss. Ich möchte nur, dass du dir anhörst, was García meiner Vermutung nach über den großen Morín zu sagen hat … Danach kannst du direkt nach Hause fahren.«
    Sie bogen in die Rancho Boyeros ein und hielten vor der Ampel an der Bushaltestelle.
    »Und was ist mit Zoilita? Was machen wir, wenn sie wieder auftaucht?«
    »Dann rast du wie ’n geölter Blitz zu mir. Ich besuche inzwischen Tamara, muss noch mal mit ihr reden. Und danach geh ich kurz bei einem Schulfreund von mir vorbei, er will mich sehen. Der wohnt zwei Häuserblocks von Carlos entfernt, das heißt, später bin ich beim Dünnen und seiner Mutter. Unter einer der drei Adressen bin ich zu erreichen. Du musst auf jeden Fall noch mit Patricia sprechen und ihr sagen, dass wir morgen früh zu Rafaels Unternehmen fahren.«
    »Geradeaus weiter, ja?«
    »Nein, fahr vom Platz der Revolution rechts ab. García wohnt auf der Cruz del Padre, gleich neben dem Stadion«, sagte Mario, und er erinnerte sich daran, dass die Industriales gestern Abend ihr erstes Spiel der Play-off-Runde gegen Vegueros verloren hatten. Wenn sie heute Nachmittag wieder verloren, würde die abendliche Unterhaltung mit dem Dünnen kein sehr erbauliches Erlebnis sein, jedenfalls nicht in sprachlicher Hinsicht. Das Geraune, das von dem Stadion herüberdrang, drückte Emotionen aus, die Mario auch gerne erlebt hätte. Aber manchmal muss man an Sonntagen eben arbeiten.
    Schauen Sie, Genossen, kann sein, dass der Genosse Morín irgendein Problem mit der Spesenabrechnung hat oder so, Sie kennen sich mit solchen Dingen besser aus als ich, und vielleicht haben Sie ja Recht, aber ich, Manuel García García, ich glaube das erst, wenn ich es sehe, mit Verlaub … Nicht weil ich unbedingt auf meiner Meinung beharre oder so, nein, aber ich kenne Rafael, ich meine, den Genossen Morín seit vielen Jahren und habe volles Vertrauen zu ihm, und wenn ich deshalb hinterher Selbstkritik üben muss, dann übe ich eben Selbstkritik! Aber das ist eine schwer wiegende Anschuldigung, die man erst mal beweisen muss, nicht wahr? Sehen Sie, es gibt Leute in der Firma, die vielleicht anders denken als ich, einige sagen, er würde alles zu sehr auf sich konzentrieren, überall hätte er seine Hände im Spiel. Das wurde ihm sogar mehrmals auf Versammlungen vorgeworfen, und er hats eingesehen, er ist nämlich äußerst selbstkritisch, und auf das mit der Konzentrierung hat er häufig selbst hingewiesen, aber mit der Zeit lief dann alles wieder durch seine Hände, manchmal glaube ich schon, er macht das, weil viele Leute sich daran gewöhnt haben, dass er alles regelt, ich glaube, er kann gar nicht anders. Aber dieselben Leute, die ihn kritisieren, müssen auch anerkennen, dass ihm fast immer alles gelingt, und das festigt sein Ansehen, und das ist am Ende das, was zählt, nicht wahr? Wir von der Gewerkschaft hatten nie Probleme mit ihm, und ich war schon im Vorstand, als er in die Firma eintrat, also können Sie sich vorstellen, dass ich die Gewerkschaft in- und auswendig kenne. Er selbst hat mich im Parteigremium einmal sogar darauf hingewiesen, dass wir von der Gewerkschaft zu passiv wären, und ich hab zu ihm gesagt, aber Genosse Rafael, wir sind mit den Beiträgen nicht im Rückstand, erfüllen die Quoten bei den freiwilligen Arbeitseinsätzen, organisieren die vorgesehenen Veranstaltungen und hören uns die Sorgen der Leute auf den Versammlungen an, was kann eine Gewerkschaft mehr tun? Habe ich nicht Recht, Genossen? In der Firma gab es keine Probleme seit der Sache mit den Leuten aus der Abteilung für Auslandseinkäufe, die haben bemängelt, dass sie nie ins Ausland reisen könnten. Das war vor meiner Zeit als Generalsekretär, warten Sie, vor ungefähr zwei Jahren, wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt. Meiner Meinung nach lag das Problem darin, dass die Leute den Ehrgeiz hatten, ins kapitalistische Ausland zu reisen, aber auf einer Zusammenkunft der Partei mit der Gewerkschaft erklärte uns der Genosse Rafael, dass die verwaltungstechnischen Entscheidungen in die Kompetenz der Verwaltung fallen und dass die Verwaltung ihre Gründe für ihre Entscheidung hat. Und kurz darauf wurden die Genossen zu einer dieser neuen

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