Ein perfektes Leben
Ihnen ganz offen. Ich ziehe es nämlich vor, in einem ruhigen Büro Marktstudien zu betreiben, anstatt mich in den täglichen Strudel des Ministeriums zu begeben, was mir immer schwerer fällt und immer schwieriger wird bei dem, was im sozialistischen Lager vor sich geht, sodass niemand weiß, wohin das am Ende führen wird. Überdies verlangt das Amt eines Vizeministers eine gehörige Portion Diplomatie, die mir noch nie besonders gelegen hat.«
Der Vizeminister rieb sich leicht die Hände, und Teniente Conde war verwirrt, beinahe enttäuscht. Die Worte von Alberto Fernández-Lorea klangen echt, trotz der Gespreiztheit, in die sie verpackt waren. Schließlich muss es Leute da oben geben, die nicht wie Rafael sein wollen, sagte er sich.
»Ich fürchte mich sehr vor Fehlschlägen und noch weitaus mehr vor der Lächerlichkeit«, fuhr der Mann fort, und sein Blick wanderte wieder zur spanischen Wand. »Ich weiß nicht, ob meine Fähigkeiten für die Verantwortung, die ich habe, ausreichen, und ich möchte nicht erleben, dass ich am Ende rausgeschmissen werde. Dagegen ist Moríns Kompetenz wirklich beeindruckend, und seine Karriere befindet sich auf dem besten Weg. Was will ich damit sagen? Ich will damit sagen, dass Rafael Moríns Arbeitsverhalten untadelig ist und dass er darüber hinaus etwas besitzt, das mir fehlt: Er ist ehrgeizig, und zwar im besten Sinne des Wortes.«
Endlich kam der Kaffee aus der Küche. Er kam in drei Tassen, die neben zwei Gläsern Wasser auf einem Glastablett standen. Hinter dem Tablett erschien eine Frau. »Guten Tag«, sagte sie, noch bevor sie den Wohnraum betrat. Auch sie ging auf die Fünfzig zu, allerdings im Eiltempo, und genau danach sah sie auch aus. Um ihre Augen hatte sich ein Fächer hässlicher Fältchen gebildet, das Fleisch an ihrem Hals war schlaff. Sie wirkte verbraucht, ohne eine Spur der lebensfrohen, sportlichen Ausstrahlung, die ihr Mann besaß.
»Laura, meine Frau«, stellte der Vizeminister sie vor. Die beiden Polizisten grüßten, und er fuhr fort: »Teniente Conde und … «
»Sargento Palacios«, half Manolo aus.
Die Frau reichte ihnen die Tassen. Nur El Conde trank vorher einen Schluck Wasser, um sich den Gaumen anzufeuchten. Der Kaffee war stark und bitter, was der Teniente doppelt dankbar zur Kenntnis nahm.
»Es ist eine Mischung aus einem brasilianischen Kaffee, den ich geschenkt bekommen habe, und unserem aus der Bodega«, erklärte Fernández. »So schmeckt er wesentlich besser, nicht wahr? Denn die Qualität eines Kaffees hängt letztlich nicht nur von seiner Reinheit ab, sondern auch von einem durch die Jahre hindurch entwickelten Geschmack. Vor einigen Monaten wurde ich in Prag zu einem türkischen Kaffee eingeladen, den man mir als den besten der Welt anpries. Aber was soll ich Ihnen sagen, fast hätte ich ihn nicht zu Ende trinken können … Und ich bin ein begeisterter Kaffeetrinker, ich trinke sogar das Gebräu, das gegenüber der ›Coppelia‹ verkauft wird«, fügte er hinzu, und die anderen nickten.
Mario Conde schlürfte genussvoll seinen Kaffee. Manolo muss es wie Fernández-Lorea in Prag gehen, dachte er. Der Sargento trank nämlich am liebsten sehr süßen, dünnen Kaffee, orientalischen, so wie ihn seine Mutter kochte.
»Sie sagten also, Rafael sei ehrgeizig?«
»Ja, Teniente. Und ich habe hinzugefügt, im besten Sinne des Wortes. Jedenfalls ist das meine Meinung«, sagte der Vizeminister und zog eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemdes. »Rauchen Sie?«
»Danke.« Mario nahm die angebotene Zigarette. Dann raucht er also doch, dachte er. »Und was wissen Sie über sein Privatleben, außerhalb der Arbeit?«
»Wenig, Teniente, sehr wenig. Ich bin mit meiner Arbeit zu sehr beschäftigt, um mich auch noch um so etwas kümmern zu können. Natürlich hat mich das auch nie interessiert, Sie müssen entschuldigen.«
»Aber Sie sind doch Freunde?«, mischte sich Manolo ein. Er kann nicht mehr an sich halten, dachte Mario, als er sah, wie der Sargento seine sprungbereite Katzenhaltung einnahm.
»In gewisser Weise, ja. Wir kommen häufig zusammen, um Probleme der Arbeit zu besprechen. Als Arbeitskollegen verstehen wir uns ausgezeichnet. Allerdings kennen wir uns erst seit knapp zwei Jahren, wie ich dem Teniente bereits gesagt habe, und unsere Beziehung ist hauptsächlich beruflicher Natur.«
»Und am Einunddreißigsten?«, fragte der Sargento weiter. »Haben Sie irgendetwas Besonderes an ihm bemerkt? Wussten Sie, dass es
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