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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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wir den Ball schlugen: »Die Veilchen von La Víbora / die Fliege samt Guerilla / die machen euch jetzt platt!« Doch die gegnerischen Fans dichteten den Spruch um und grölten: »Die Veilchen von La Víbora / die Fliege samt Guerilla / die treibens mit den Eseln!« Und das haute natürlich rein, dagegen war nichts zu machen. Jedenfalls war ich selig, dass ich hier spielen durfte, mit Flutlicht und allem Drum und Dran, und die Möglichkeit hatte, alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Denn es ist ja nicht dasselbe, auf der Tribüne zu stehen und die Spieler anzufeuern oder auf dem Feld zu stehen und die Leute auf der Tribüne zu sehen. Das ist ein gewaltiger Unterschied.
    »Los, Jungs, den Arsch zusammenkneifen, sonst kann man beim Baseball nicht gewinnen!«, schrie der Dünne auf der Bank, kurz bevor das Spiel begann. Denn wenn es um Baseball ging, hörte für ihn schon immer der Spaß auf. So dünn er auch war, dann traten bei ihm die Halsadern hervor. »Und den Arsch zusammenkneifen, das können wir doch, was, Jungs?«
    Und dann mussten wir alle »Jawohl!« schreien, denn sonst konnte er fuchsteufelswild werden. Wir waren die Heimmannschaft, und als wir aufs Feld liefen, fingen die Leute an zu pfeifen – die von La Habana – und zu applaudieren – die von La Víbora –, und ich blickte zu »unserer« Tribüne, um alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, und sah Tamara ein violettes Halstuch schwenken. Und als ich an ihrer Seite, wie einen Polizeihund, den ehemaligen Vorsitzenden der Schülervertretung sah, verging mir die Lust am Spielen. Rafael Morín lachte sein typisches Lachen, zufrieden strahlend wie an dem Tag, als er sich uns vorgestellt hatte (»Ich bin Rafael Morín … « ), er da oben mit einem grauenhaften karierten Hemd, wir da unten, verkleidet als Papageien.
    Doch trotz allem sollte es das Spiel meines Lebens werden. Isidrito hatte vorher zwei Liter Milch getrunken. Es sagte, das sei gut für die geraden, harten pitches. Und er warf die Bälle wirklich hart und gerade, aber bei jedem pitch furzte er wie ein Weltmeister … Er fing an, die schwarzen Riesen von La Habana einen nach dem anderen »auszumachen«, fast keiner erreichte die first base, und wenn sie es mal schafften, passierte auch nichts, denn sie machten keine Punkte. Wir aber auch nicht, denn Yayo Mantequilla, der pitcher von La Habana, brannte genauso wie der Guajiro und warf uns sieben Mal zur Null. Die Leute auf den Rängen wurden immer stiller. Das Spiel war jetzt wirklich eine ernste Angelegenheit und versprach am Ende so richtig spannend zu werden.
    So stand es im achten inning null zu null, und nun kam der Dünne als fünfter batter an die Reihe. Er schlug einen hervorragenden line über den short stop und kam bis zur second base. Da war aber was los! Unsere Leute schrien »Veilchen, Veilchen, macht sie platt«, und der Dünne schrie »Kommt doch her, ihr Wichser!«, sodass der umpire ihn wegen »obszöner Ausdrücke« verwarnte. Und dann schlug das Scheiß-Schicksal zu. Isidrito, unser sechster batter, der sonst nie versagte, schlug dreimal daneben, und das war der erste out. Paulino Huevo de Toro, der siebte batter, schlug einen rolling direkt in den Handschuh von Yayo, und der strich sich mit dem Ball in aller Seelenruhe über die Eier, bevor er ihn routiniert zur first base warf, und das war der zweite out. Und nun war ich dran.
    Ich machte mir vor Angst fast in die Hose, meine Knie zitterten, meine Hände waren schweißnass. Im Stadion war es mucksmäuschenstill, und sogar der Dünne, der genau wusste, was mit mir los war, hörte auf zu schreien. Ich glaube, er gab den inning schon verloren. Da fasste ich mir ein Herz, spuckte in die Hände und rieb sie mit Erde ab. Ich erinnerte mich daran, dass ich mit dem bat weit ausholen und ihn ganz fest halten und den Ellbogen heben musste, wenn ich zum swing ansetzte. Totenstille. Yayo Mantequilla warf den Ball hart und gerade, dass einem die Eier abfallen konnten, und ich dachte, jetzt komm ich, ich holte aus, hob den Ellbogen, hielt den bat ganz fest, schloss die Augen und machte einen swing. Nun war wirklich die Hölle los! Scheiße, mir war ein line-drive gelungen, quer übers Feld, richtig hart, einer, der mir noch nie gelungen war, und wie im Film sah ich, wie der Ball flog und flog, dem Auffangzaun unter der Anzeigetafel entgegen, und da fing ich an zu rennen, ich hatte genug Zeit, um es bis zur third base zu schaffen, und es konnte sogar ein home run

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