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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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werden. Was für ein Geschrei, was für ein Triumph! Der Dünne machte den Punkt, rannte zur third base zurück und hob mich hoch, und Isidrito, der seit unserer letzten Prügelei nicht mehr mit mir sprach, gab mir vor Rührung einen Kuss, und die ganze Mannschaft kam an und packte mich am Hintern, ich hatte es ja nicht anders gewollt, oder? Inmitten meiner Freude und dem Geschrei aus dem Publikum schaute ich zu den Zuschauerrängen hoch, um alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten … und hatte das Gefühl, ich müsste sterben. Tamara und Rafael waren schon gegangen.
    Im neunten inning machten die Spieler von La Habana zwei runs und gewannen zwei zu eins. Aber es war das Spiel meines Lebens.
     
    Bevor er an der Tür läutet, sieht er auf die Uhr: zehn nach vier. Wenn sie Siesta gehalten hat, müsste sie schon wieder wach sein. Vielleicht sieht sie sich den Sonntagnachmittagsfilm an, denkt er. Und er denkt weiter, dass er nicht weiß, was genau er hier will. Besser gesagt, er weiß es sehr wohl, will es sich aber nicht eingestehen. Die falschen Lam-Skulpturen stehen im Schatten einer Ceiba, die vielleicht absichtlich neben den Betonzoo gepflanzt wurde. Zusammen mit den gestutzten Kroton-Hecken und den dichten Mantos-Beeten vermittelt der Vorgarten das Gefühl, in einem künstlichen, aber sehr reizvollen bunten Wald zu stehen. Er muss an Manolos Worte denken: Das Haus ist wirklich nichts für einen Polizisten. Die lebendige Erinnerung an diesen Ort verursacht in seiner Brust und an den Schläfen einen stechenden Schmerz. Froh darüber, dass er mit Manolo vorher ein paar Gläschen geleert hat, drückt er auf den Klingelknopf. Danach fühlt er sich entspannt und erleichtert.
    Das Geräusch der Klingel hallt in dem riesigen Haus wider. Während er wartet, zündet er sich eine Zigarette an und rückt die Dienstpistole im Gürtel zurecht. Er wird sich nie an ihr Gewicht gewöhnen. Endlich öffnet Tamara die Tür, lächelt ihn an und sagt: »Ach, der ›Prince of the City‹! Ich hab den Film gestern Abend gesehen, der Polizist hat mir Leid getan. In letzter Zeit sind alle Polizisten, die ich sehe, traurige Polizisten. Obwohl der von gestern Abend nicht viel Ähnlichkeit mit dir hatte.« Sie tritt zur Seite, um ihn hereinzulassen.
    »In letzter Zeit hab nicht mal ich Ähnlichkeit mit mir«, entgegnet er. Sie schließt die Tür, und sie gehen in den Salon, wo der Fernseher läuft. »Möchtest du den Film zu Ende sehen?«
    »Nein, Rafael hat das Video vor drei Monaten mitgebracht, ich kenne den Film schon. Aber weil ich mich gelangweilt habe … « Sie setzt sich in einen der beiden weichen Sessel, Mario in den anderen. »Ich wäre fast eingenickt. Gestern Nacht konnte ich kaum schlafen.«
    Die Vorhänge sind zugezogen, das kalte Licht dringt nur spärlich von draußen in den Raum. Mario sieht sich nach einem Aschenbecher um und entdeckt schließlich einen aus Metall mit einer drehbaren Scheibe, unter der die Asche und die Kippen verschwinden. Der Aschenbecher ist so makellos sauber, dass es ihn stört. Er dreht die Scheibe zwei-, dreimal nach unten und fragt dann: »Wer macht hier eigentlich sauber, Tamara?«
    »Eine Freundin von Mima. Sie kommt zweimal die Woche. Warum?«
    »Ach, nur so, weil ich ihr den Aschenbecher versaue.«
    Sie lächelt beinahe traurig. »Es gibt nichts Neues, Mario, nicht wahr?«
    »Wir treten auf der Stelle, Tamara«, lügt er und verspürt dabei keinerlei Gewissensbisse. Er fragt sich, wie viel seine ehemalige Schulkameradin weiß.
    »Hab ich mir gedacht. Meine Schwiegermutter hat mich heute Morgen angerufen und mir erzählt, dass ihr bei ihr wart. Die Ärmste hat geweint.«
    »Ist wohl normal, oder? Danach hab ich mit Fernández-Lorea gesprochen. Er hat mir bestätigt, dass dein Mann ein untadeliger Mensch ist. Und dann waren wir bei García, dem von der Gewerkschaft des Unternehmens. Wie alle Welt wusste auch er nur Gutes über deinen Mann zu berichten. Na ja, sie haben mich überzeugt.«
    »Wie schön«, sagt sie, und ihre Mandelaugen glänzen noch intensiver. Doch Mario weiß, dass sie nicht anfangen wird zu weinen. »Du willst ihm unbedingt was anhängen, stimmts?«
    »Soll ich dir was sagen? Ich glaubs einfach nicht. Auch ich kenne Rafael, und entschuldige, aber so einige Sachen, die er gemacht hat, haben mir noch nie gefallen.«
    »Was für Sachen?«, fragt sie und nimmt ihren Kampf gegen die krause Haarsträhne auf.
    »Ach, nichts, dummes Zeug, vergiss es. Aber am Ende ist man

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