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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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wiederholte er, und außerdem gefällt mir das Studium nicht, ehrlich. Dann redeten sie über alles Mögliche, und er verlor nach und nach die Angst. Da schlug ihm der Capitán vor, auf die Polizeiakademie zu gehen. Er werde mit einem Rang abschließen und vom ersten Monat an Geld verdienen. Ich bin nicht in der Partei, sagte er. Spielt keine Rolle, wir wissen, wer du bist. Ich hatte nie eine leitende Funktion, und außerdem bin ich ziemlich chaotisch, sagte er, und ich finde die Beatles toll, dachte er, aber auch das spielte keine Rolle. Ich hab nie daran gedacht, Polizist oder so was zu werden, was kann ich schon bei Ihnen tun? Das werde er lernen, versicherte Capitán Acosta, wichtig sei, dass er in die Akademie eintrete, später dann könne er Abendkurse an der Universität belegen und sogar irgendein Studium absolvieren, was dir am besten gefällt, mein Junge, sagte der Capitán. Er solle es sich überlegen, doch er überlegte nicht. Er sagte Ja. Ist das Schicksal? Das fragte er sich seither immer wieder, denn er hatte sich niemals vorstellen können, Polizist zu werden, sogar ein guter Polizist, wie man ihm sagte. Was man braucht, ist Köpfchen, viel Köpfchen, erklärte ihm ein Kollege. Er kam nicht in die Abteilung für Resozialisierung, worum er nach Abschluss der Akademie gebeten hatte, sondern zum allgemeinen Erkennungsdienst. Dort musste er Fälle kategorisieren, modus operandi und Typisierungen von Verbrechensarten entwickeln, bis er sich eines Tages mit einer alten Akte im Computerraum einschloss, Papiere und Daten las und immer wieder las, nachdachte, bis er Kopfschmerzen bekam, um schließlich eine ungewöhnliche Lösung zu finden, indem er bei dem betreffenden Mordfall, der bereits seit vier Jahren untersucht wurde, zwei entfernte und unzusammenhängende Enden eines Fadens miteinander verknüpfte. Ist das Schicksal? Das fragt er sich auch jetzt, und er denkt mit Vergnügen an seine erste Zeit in der Ermittlungsabteilung, als er die Uniform ablegen und wieder seine alte Jeans anziehen, ja, sich sogar einen Bart wachsen lassen konnte, nachdem er den Alten überzeugt hatte. Damals hatte er das Gefühl (und die Illusion), dass er nun in die Welt hinausging, um ihr Gerechtigkeit zu bringen. Jene Tage voller Euphorie sind längst vergangen, so scheint ihm, haben der Routine Platz gemacht. Köpfchen und Routine, das ist es vor allem, was das Polizistendasein ausmacht, hat man ihm erklärt, so wie er es später den Neuen erklärt hat, indem er Jorríns Rat wiederholte; das und jeden Tag neu anfangen zu können, auch wenn man keine Lust hat, immer wieder neu anzufangen. Wenn es das Schicksal nicht so gewollt hätte, hätte er jenen Fall nicht entdeckt, der nur darauf wartete, von ihm gelöst zu werden; dann hätte er Capitán Acosta nicht mit Ja geantwortet; dann wäre sein Vater nicht gestorben, bevor er das Studium abgeschlossen hatte; dann hätte man ihn Literatur studieren lassen und nicht Psychologie; dann hätte er Hemingways Bücher nicht verschlungen, als er die Windpocken hatte, die er eigentlich schon viele Jahre zuvor hätte bekommen müssen, zusammen mit allen anderen Jungen aus der Straße; dann wäre er bestimmt Pilot geworden, da man ihn nicht von der Militärakademie verwiesen hätte, nachdem er einen Genossen, der sich erbarmungslos über seine Flugleidenschaft lustig machte, mit Wort und Tat angegriffen hatte. Und so weiter und so fort, denn möglicherweise wäre er nicht geboren worden, oder der erste Conde, Ururgroßvater Teodoro, wäre kein Betrüger gewesen und nicht auf Kuba gelandet. Deswegen, weil das Schicksal es so gewollt hat, ist er nun Polizist, und das Schicksal hat ihn mit dem Leben von Rafael Morín verbunden und mit deinem, Tamara, einem Leben, das sich inzwischen so weit von seinem entfernt hat, dass man sich kaum noch vorstellen kann, wie sie früher einmal denken konnten, sie wären gleich. Doch das Leben hat sich verändert, so wie sich alles verändert, und er ist jetzt weder unzuverlässig noch verrückt, lediglich so kompliziert wie eh und je, ein hoffnungsloser Fall, traurig und einsam und sentimental, ohne Frau und Kinder, vielleicht für immer. Und er weiß, dass sein bester Freund sterben wird und man nichts daran ändern kann. Und die Pistole in seinem Gürtel wiegt schwer, jene Dienstpistole, mit der er außerhalb des Schießstandes nur ein einziges Mal geschossen hat, nun ja, er war sich ja fast sicher, dass er nicht treffen würde, weil er auf niemanden

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