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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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schon seit ewigen Zeiten auf Kriegsfuß, und er versuchte, solcher Art von Routinearbeit möglichst aus dem Weg zu gehen. »Ich kann euch da sowieso nicht von großem Nutzen sein, oder? Und ich muss noch zum Alten. Am besten, ich komm so gegen zehn nach, ja?«
    »Ja?«, äffte ihn Manolo nach und hob resigniert die Schultern. Patricia lächelte ihn an, und die geschlitzten Augen verloren sich in ihrem Gesicht. Ob sie wohl etwas sehen kann, wenn sie lacht, fragte sich Mario.
    »Dann bis später«, sagte sie und packte den Sargento am Arm, um ihn aus dem Büro zu schieben.
    »He, China, Moment noch«, bat Mario, und dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Wie haben die Wachteln gestern geschmeckt?«
    »Wie der Kleine gesagt hat«, flüsterte sie zurück. »Beschissen. Aber der Alte hat sie alle aufgegessen.«
    »Das hört man gern«, sagte El Conde und winkte Manolo grinsend zum Abschied zu.
     
    »Geschäfte, bei denen es um sehr viel Geld geht, sind wie eifersüchtige Frauen«, sagte René Maciques. »Man darf ihnen keinen Grund zur Klage geben.«
    El Conde blickte zu Manolo hinüber. Der Sargento bekam gerade kostenlos Nachhilfe, und der Teniente hatte sich geirrt: René Maciques war noch keine vierzig Jahre, geschweige denn fünfzig, wie er gedacht hatte. Und er sah auch nicht wie ein Bibliothekar aus, sondern eher wie ein Conférencier im Fernsehen, der die Leute mit seiner Stimme und seinen Gesten zu begeistern sucht und sich ständig mit Zeigefinger und Daumen über die Stirn streicht, wie um seine buschigen Augenbrauen zu kämmen. Er trug ein Leinenhemd, eine guayabera, die so weiß war, dass sie wie Emaille schimmerte, mit gestickten Paspeln, die noch weißer schimmerten. Er lächelte entspannt und locker. In seiner Brusttasche steckten drei vergoldete Kugelschreiber, und Mario sagte sich, dass es nur einem ausgemachten Idioten in den Sinn kommen konnte, seine Fähigkeiten anhand der Kugelschreiber, die er mit sich herumschleppt, zu demonstrieren.
    »Wenn man derartige Geschäftsverhandlungen leitet«, fuhr der Mann fort, »muss man Vertrauen erwecken, man muss Ruhe ausstrahlen und überzeugend wirken und so tun, als würde man sich über einen Vertragsabschluss ehrlich freuen. Wie gesagt, wie bei einer eifersüchtigen Frau. Und gleichzeitig muss man zu verstehen geben, aber nur ganz nebenbei, dass man nicht um jeden Preis unterschreiben will, dass man weiß, es gibt noch bessere Angebote, auch wenn man sicher ist, dass es kein besseres gibt als das vorliegende. Geschäfte sind ein Dschungel, in dem es vor gefährlichen Raubtieren wimmelt und wo es nicht genügt, ein Gewehr bei sich zu haben.« Ein kleiner Metaphoriker, dachte El Conde. »Und ich kenne keinen, der geeigneter dafür wäre als der Genosse Rafael. Ich hatte mehrmals die Gelegenheit, mit ihm zusammenzuarbeiten, hier in Kuba und auch bei einigen Transaktionen im Ausland, Transaktionen, die einem Angst machen. Rafael hat wie ein Künstler agiert, hat gut und teuer verkauft und immer unter dem angebotenen Preis gekauft. Und Käufer wie Verkäufer sind stets zufrieden und überzeugt davon, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, auch wenn sich später herausstellt, dass Rafael sie eingewickelt hat. Und das Beste daran: Er hat bisher nie einen Kunden verloren!«
    »Warum kümmert er sich persönlich um die Vertragsverhandlungen, wo er doch Fachleute in den verschiedenen Bereichen sitzen hat?«, fragte El Conde in dem Moment, als eigentlich der Applaus hätte einsetzen müssen für die kleine Ansprache von René Maciques, der sich überraschenderweise als wortgewandtes Goldkehlchen entpuppte.
    »Weil er sich dadurch verwirklicht sieht, und weil er weiß, dass er besser ist. Jeder Zweig des Unternehmens arbeitet für sich, entweder nach Branchen oder nach Regionen geordnet, verstehen Sie? Wenn jedoch das Geschäft von großer Bedeutung ist oder irgendwo ins Stocken zu geraten droht, steht Rafael den jeweiligen Fachleuten beratend zur Seite. Er aktiviert die über Jahre hinweg gewachsenen Kontakte, und dann steigt er in die Arena.«
    War er etwa auch noch ein Torero?, fragte sich El Conde. Er ahnte, dass Maciques eine harte Nuss sein würde mit seiner antiquierten, aber nicht totzukriegenden Phrasendrescherei. Der Teniente sah in sein aufgeschlagenes Notizbuch. Geschäfte von großer Bedeutung, hatte er hineingeschrieben. Er dachte einen Moment lang nach. War Rafael Morín all das, was alle behaupteten? Mario hatte, wenn auch aus der Distanz, den beruflichen und

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