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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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viel?«
    »Das weiß ich nicht, Genossen, das müssen Sie Rafael Morín fragen.«
    »Sagen Sie, Maciques«, sagte El Conde und stand auf, »müssen wir Rafael Morín auch fragen, warum Sie am Einunddreißigsten gegen Mittag hier waren?«
    René Maciques lächelte. Jetzt stand er wieder vor der Kamera und strich sich über die Augenbrauen. »So ein Zufall! Genau deshalb war ich hier«, antwortete er und wies auf die Klimaanlage. »Mir war eingefallen, dass ich sie nicht ausgeschaltet hatte, und ich bin hergekommen, um das nachzuholen.«
    El Conde lächelte nun ebenfalls und steckte das Notizbuch wieder ein. Er betete, Patricia möge irgendetwas finden, das es ihm erlauben würde, diesen René Maciques in die Mangel zu nehmen.
     
    Bei dem einzigen Mal, als Mario Conde auf einen Menschen schoss, lernte er, wie leicht es ist zu töten. Du zielst auf die Brust, hörst auf zu denken und drückst ab. Der Schuss erlaubt es dir kaum, den Moment mitzukriegen, in dem die Person von der Kugel getroffen wird. Wie bei einem Steinwurf wird sie zu Boden gestoßen und windet sich vor Schmerzen, bis sie stirbt. Oder auch nicht.
    An jenem Tag hatte Teniente Conde dienstfrei, und wie bei allen Ereignissen in seinem Leben versuchte er noch monatelang danach das Knäuel der Zufälle zu entwirren, die dazu geführt hatten, dass er plötzlich mit seiner Dienstpistole in der Hand vor dem Mann stand und gezwungen war zu schießen. Zwei Jahre zuvor war er vom Erkennungsdienst zur Ermittlungsabteilung versetzt worden. Haydée hatte er kennen gelernt, als er einen Einbruch in das Büro untersuchte, in dem die junge Frau arbeitete. Er unterhielt sich ein paar Mal mit ihr und begriff, dass seine Ehe mit Maritza keine Zukunft mehr hatte. Wie ein Hurrikan brach Haydée in sein Leben ein, und El Conde glaubte, verrückt werden zu müssen. Die unbezähmbare Leidenschaft ihrer Liebe, die Tag für Tag in Pensionen, von Freunden überlassenen Wohnungen und auch hinter irgendwelchen Büschen konkrete Formen annahm, besaß eine animalische Kraft und bot unzählige, noch unerforschte Wonnen. Mario Conde verliebte sich hoffnungslos und lebte die befriedigendsten, ungeheuerlichsten Sexualfantasien seines Lebens aus. Sie liebten sich unaufhörlich, wurden gar nicht mehr kalt, und auch wenn Mario erschöpft und glücklich war, verstand es Haydée, immer noch ein wenig mehr aus ihm herauszuholen. Es genügte, dass er ihren kräftigen, bernsteinfarbenen Urinstrahl plätschern hörte oder ihre Zungenspitze wie ein Magnet über seine Schenkel wanderte und sich um sein Glied wand, und schon konnte Mario wieder neu beginnen. Wie keine andere Frau vermittelte ihm Haydée das Gefühl, ein richtiger Mann zu sein und begehrt zu werden, und bei jeder Begegnung widmeten sie sich ihrer Liebe mit dem Eifer von Entdeckern und der Verzweiflung von Eingeschlossenen.
    Wenn Mario Conde sich nicht in diese unbeschwerte, etwas naiv dreinblickende Frau verliebt hätte, die sich veränderte, wenn es um Sex ging, dann hätte er nicht geil und glücklich auf der Calle Infanta an der Ecke gestanden, einen halben Häuserblock von dem Büro entfernt, in dem Haydée bis halb sechs arbeitete. Und wenn Haydée, begierig auf den Sexrausch, der sie erwartete, sich nicht verrechnet und 6 plus 8 gleich 24 anstatt 14 in die Bilanz eingetragen hätte, dann hätte sie das Büro um 5 Uhr 31 verlassen und nicht erst um 5 Uhr 42, als der Lärm und dann der Schuss sie mit einem mulmigen Vorgefühl auf die Straße hinaustreten ließen.
    Mario Conde hatte sich in seiner nervösen Ungeduld soeben die dritte Zigarette angezündet und achtete nicht auf das Geschrei. Er dachte an das, was an diesem Nachmittag in der Wohnung des Freundes eines Freundes, der für zwei Monate auf einem Lehrgang in Moskau war, geschehen würde. Die Wohnung war vorübergehend zur Zufluchtsstätte ihrer noch heimlichen Liebe geworden. Er stellte sich gerade vor, wie Haydée nackt und schwitzend die heiligsten Winkel seines bebenden Körpers erkunden würde, als er den blutüberströmten Mann auf sich zu rennen sah. Das grüne Hemd des Mannes färbte sich am Bauch dunkel. Er schien sich auf den Boden werfen zu wollen, um für all seine Sünden um Vergebung zu bitten. Doch Mario wusste, dass er keine Vergebung zu erwarten hatte von dem anderen Mann, der hinkend und mit eingeschlagenen Zähnen ebenfalls angerannt kam, allerdings mit einem Messer in der Hand. Noch Monate später dachte der Teniente, dass er den Verfolger, dem sich

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