Ein Pirat zum Verlieben
Rothmere, der damit beschäftigt war, seinen Teller zu füllen, nicht. War der Butler ein Verbündeter? Vorhin, als sie versucht hatte, die Dienstboten auszuhorchen, hatten die Leute es abgelehnt, auch nur ein Wort zu sagen. Lieber Himmel, waren sie auch Gefangene? Tess fragte sich, ob sie es riskieren konnte, einem von ihnen eine Nachricht an Dane zuzustecken, als sie sich auf den Stuhl sinken ließ und die Platten anstarrte. Ich kann dieses Zeug nicht essen, dachte sie, unsicher, ob die Speisen nicht vielleicht vergiftet waren. Vermutlich ein absurder Gedanke, da Phillip und Elizabeth zulangten, als gäbe es kein Morgen. Gibt es für sie auch nicht, dachte Tess zuversichtlich und nahm sich etwas.
Phillip wollte ihren Mann, und sie war nichts als ein Lockvogel, den er so lange am Leben lassen musste, bis Dane erschien. Gott, was für ein morbider Gedanke! Aber vielleicht fiel ihr ja etwas Besseres ein, dachte sie und spähte zu den offenen Gartentüren. Wachtposten patrouillierten auf und ab wie Dobermänner, die eine Witterung aufgenommen hatten.
»Ich schlage vor, Sie verbannen jeden Gedanken an Flucht, Mistress Blackwell«, sagte Phillip. Tess starrte den mageren Bastard an.
»Niemals aufgeben, Phil.«
Er runzelte nachdenklich die Stirn, da er ihren Akzent nicht einordnen konnte. »Dürfte ich fragen, woher Sie stammen?«
»Aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Und Sie?« Ein Punkt für die Guten, dachte sie, als Phillip sich an seinem Tee verschluckte.
Er räusperte sich. »Es wird Ihnen nichts nützen, Märchen zu erzählen, Mistress.« Dann schob er sich eine große Portion Würstchen in den Mund.
»Märchen, ja? Ich weiß, das kommt ein wenig unerwartet, aber ich lüge nicht.« Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu, und Tess sprach weiter. »Sie haben sich alles zurechtgelegt, stimmt’s? Dane wird diesen … diesen morschen Steinhaufen stürmen, und Sie haben die Chance, auf die Sie schon so lange warten.« Ein weiterer unwilliger Blick. »Vergessen Sie’s, Kumpel. Er hat nicht die weite Fahrt gemacht, um etwas so Voraussehbares zu machen. Ungeachtet seiner Loyalität mir gegenüber, wird er Sie erwischen, Phil.« Tess sah betont zu Elizabeth. »Und Sie auch, Lizzie. Hat Phillip auf Ihre Anregung Desirées Pulsadern aufgeschlitzt und sie im Gartenschuppen verbluten lassen?«
Tess traf einen wunden Punkt, zumindest bei Elizabeth. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, während Phillip zerstreut mit einem Messer spielte und sie noch eigenartiger musterte als sonst.
»Ich nehme an, es war Ihre Idee, Phil, ihr die Zunge herauszuschneiden, damit sie nicht reden konnte, stimmt’s?« Tess nahm einen Schluck Saft.
»O Gott, Phillip!«
»Halt – den – Mund, Lizzie!« Sie wandte sich gehorsam wieder ihrer Mahlzeit zu.
»War das bevor oder nachdem Sie Desirée diesen Männern überlassen hatten?«
Er reagierte nicht auf ihre letzte Bemerkung, wischte sich nur die Lippen ab und warf die Serviette auf den Tisch, bevor er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. Wie auf Kommando war sofort ein Diener an seiner Seite und räumte seinen Teller ab.
»Hüten Sie Ihre Zunge, Mistress.«
Tess zuckte die Achseln. »Vielleicht bin ich leichtsinnig. Wie lange sitzen Sie hier schon fest, Phil? Ein Jahr? Zwei Jahre? Reicht es Ihnen nicht? Oder habt ihr zwei vor, euch den Rest eures Lebens wie Feiglinge zu verstecken?«
»Ich bin sehr zufrieden mit meinem Heim und meinem Leben und sehe keinen Grund, etwas daran zu verändern.«
»Kommen Sie, Phil, machen Sie mir nichts vor! Ihre Lagerhäuser sind Staub und Asche. Whittingham ist mittlerweile wahrscheinlich festgenommen worden und singt wie eine Lerche, um seine Haut zu retten. Und erzählen Sie mir nicht, Sie hätten nicht damit gerechnet, dass Dane Sie aufspürt!«
Seine Augen verengten sich ein wenig, und Tess drehte das Messer noch ein bisschen mehr in der Wunde.
»Nein.« Sie lehnte sich entspannt zurück. »Sie haben geglaubt, er könnte Sie nicht finden. Aber Sie selbst haben ihn hierher gelockt, mit Bennett und den Überfällen auf die Schiffe. Genauso gut hätten Sie eine Spur aus Brotkrumen legen können.«
Sie ist viel zu schlau für eine Frau, dachte Phillip, der sich durch die Erinnerung an seine Fehler in die Enge getrieben fühlte.
»Welche Verbindung besteht eigentlich zwischen Ihnen, abgesehen davon, dass Sie seine Schwester getötet und das Vermögen seiner Familie gestohlen haben?«
Phillip stand abrupt auf. »Es war mein Vermögen! Meines!«
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