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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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es die meisten anderen Mädchen getan hätten, hatte die fünfjährige Krystal mitgemacht, gegackert und gekreischt: »Weed-on! Krystal weed-on ! Krystal ka-cken!« Und sie hatte vor der ganzen Klasse die Hose runtergezogen und sich hingehockt, als wollte sie es wirklich machen. Noch immer erinnerte er sich lebhaft an ihre nackte rosa Möse, es war, als wäre der Weihnachtsmann in ihrer Mitte aufgetaucht. Und er wusste auch noch, wie Miss Oates Krystal mit hochrotem Gesicht aus dem Raum geführt hatte.
    Mit zwölf Jahren, nach dem Übertritt in die Gesamtschule, war Krystal das am weitesten entwickelte Mädchen ihres Jahrgangs und hatte hinten im Klassenzimmer herumgelungert, wo alle, wenn sie fertig waren, ihre Mathearbeitsblätter hinbringen und gegen das nachfolgende Blatt austauschen sollten. Wie es angefangen hatte, wusste Andrew nicht (er war mal wieder als einer der Letzten mit der Matheaufgabe fertig geworden), aber als er zu den Plastikkästen mit den Arbeitsblättern kam, ordentlich aufgereiht auf den Regalen an der Rückwand, befummelten Rob Calder und Mark Richards gerade einer nach dem anderen Krystals Brüste. Die meisten anderen Jungen schauten wie gebannt zu, die Köpfe vor dem Lehrer hinter den Mathebüchern verborgen, während die Mädchen, größtenteils knallrot im Gesicht, so taten, als würden sie nichts sehen. Andrew verstand, dass die Hälfte der Jungen bereits an der Reihe gewesen war und alle von ihm erwarteten, auch mitzumachen. Einerseits hatte er gewollt, andererseits nicht. Er hatte sich nicht vor den Brüsten gefürchtet, sondern vor Krystals dreistem, herausforderndem Blick. Er hatte Angst gehabt, es falsch zu machen. Als der nichtsahnende und unfähige Mr Simmonds schließlich aufgeschaut und gesagt hatte: »Du stehst jetzt schon ewig da hinten, Krystal, hol dir ein Arbeitsblatt und setz dich wieder«, war Andrew regelrecht erleichtert gewesen.
    Obwohl sie längst in verschiedenen Unterrichtsgruppen waren, mussten sie ihre Anwesenheit morgens immer noch in derselben Klasse registrieren lassen, daher wusste Andrew, dass Krystal manchmal anwesend war, oft nicht, und dass sie fast ständig in Schwierigkeiten steckte. Furcht kannte sie nicht, so wenig wie die Jungs, die mit selbstgestochenen Tattoos zur Schule kamen, mit aufgeplatzten Lippen, Zigaretten und Geschichten über Zusammenstöße mit der Polizei, über Drogen und schnellen Sex.
    Die Gesamtschule Winterdown lag direkt am Stadtrand von Yarvil, ein hässliches dreistöckiges Gebäude, an dessen Außenwänden sich Fenster mit türkis gestrichener Holzverkleidung abwechselten. Nachdem sich die Bustüren quietschend geöffnet hatten, schloss sich Andrew der wogenden Menge in schwarzen Blazern und Pullovern an, die über den Parkplatz auf die beiden Eingangstüren der Schule zuströmte. Als er sich gerade durch den Engpass der Doppeltür quetschen wollte, bemerkte er einen ankommenden Nissan Micra und trat zur Seite, um auf seinen besten Freund zu warten.
    Dickie, Dicker, Dickster, Flubberwurm, Fleischklops, Walla, Fatboy, Fats: Stuart Wall war der Junge mit den meisten Spitznamen in der Schule. Sein federnder Gang, seine Magerkeit, sein schmales, blasses Gesicht, die Segelohren und der stets gequälte Ausdruck waren eigentlich markant genug, aber was ihn wirklich von allen anderen abhob, waren sein bissiger Humor, seine Gleichgültigkeit und Gelassenheit. Irgendwie war es ihm gelungen, sich von den höchst unglücklichen Verbindungen zu distanzieren. Eine weniger robuste Person wäre daran zerbrochen: die Peinlichkeit, der Sohn eines verspotteten und unbeliebten stellvertretenden Schulleiters zu sein und eine trutschige, übergewichtige Beratungslehrerin zur Mutter zu haben. Er war vor allem und ohne Frage er selbst. Fats, Schulberühmtheit und Wahrzeichen. Und sogar die Kinder aus Fields lachten über seine Witze und machten sich eher selten über seine Eltern lustig – so kühl und grausam gab er ihre Spötteleien zurück.
    Fats’ Selbstbeherrschung bekam selbst an diesem Morgen keinen Riss, als er sich, in voller Sicht der vorbeiströmenden Horden, nicht nur neben seiner Mutter aus dem Nissan zwängen musste, sondern auch noch neben seinem Vater, der für gewöhnlich getrennt von ihnen zur Schule fuhr. Als Fats federnd auf ihn zukam, musste Andrew wieder an Krystal Weedon und ihren über

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