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Ein plötzlicher Todesfall

Ein plötzlicher Todesfall

Titel: Ein plötzlicher Todesfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanne K. Rowling
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und diesmal wirkte sein Gleichmut gezwungen, seine Haut hatte eine dunklere Färbung angenommen.
    Andrew spürte, wie Gaia auf ihren Stuhl zurücksank. Er nahm allen Mut zusammen, schaute nach links und grinste. Sie lächelte prompt zurück.
    VII
    Obwohl Pagfords Feinkostgeschäft seine Türen erst um neun Uhr dreißig öffnete, war Howard Mollison früher da. Er war ein außerordentlich fettleibiger Mann von vierundsechzig. Da sein gewaltiger Hängebauch bis auf die Oberschenkel reichte, mussten die meisten Leute sofort an seinen Penis denken, wenn sie ihn das erste Mal sahen. Sie überlegten, wann er ihn wohl zuletzt gesehen hatte, wie er ihn wusch und wie es ihm gelang, all das damit auszuführen, wozu ein Penis gedacht war. Howards Statur setzte diese Gedanken unwillkürlich in Gang. Doch er konnte mit seinen Kunden jovial und humorvoll plaudern, so dass er neben all dem Unbehagen auch Vertrauen verbreitete. Beim ersten Besuch des Ladens kauften die Kunden immer viel mehr, als sie beabsichtigt hatten. Während er arbeitete, schwatzte er ununterbrochen, schob mit seinen Wurstfingern den Schinkenschneider vor und zurück, ließ seidenfeine Schinkenscheiben auf das darunter gehaltene Zellophan gleiten, stets ein Zwinkern in seinen runden blauen Augen und ein Lachen, das sein Vielfachkinn erzittern ließ.
    Howard hatte eine Art Uniform erfunden, die er bei der Arbeit trug: weißes Hemd, Kordhose, dunkelgrüne Segeltuchschürze und eine Sherlock-Holmes-Mütze, an der eine Reihe Angelköder fürs Fliegenfischen befestigt war. Mochte diese Mütze zuerst auch ein Witz gewesen sein, setzte er sie inzwischen jeden Morgen mit heiligem Ernst in der Personaltoilette auf seine dichten grauen Locken.
    Das Geschäft morgens zu öffnen war Howards ganze Freude. Er ging gerne im Laden umher, wenn nur das leise Summen der Kühlaggregate zu hören war, und genoss es, alles zum Leben zu erwecken – das Licht einzuschalten, die Abdeckungen zu entfernen, um die Schätze im Kühlregal sichtbar zu machen: die bleichen graugrünen Artischocken, die onyxschwarzen Oliven, die getrockneten Tomaten glichen in ihrem Gewürzöl rubinroten Seepferdchen.
    An diesem Morgen mischte sich jedoch Ungeduld in seine Freude. Seine Geschäftspartnerin Maureen war spät dran, und genauso wie Miles vor ein paar Stunden befürchtete nun Howard, dass ihm jemand mit der sensationellen Nachricht zuvorkommen könnte.
    Er blieb neben dem Durchbruch in der Wand zu dem früheren Schuhgeschäft stehen, in dem bald Pagfords neuestes Café eröffnet werden würde, und überprüfte die schwere Plastikplane, die den Staub von den Waren fernhalten sollte. Sie hatten vor, das Café Ostern zu eröffnen, um mehr Touristen ins West Country zu locken, für die Howard das Schaufenster jährlich mit Cider, Käse und Strohpüppchen aus der Region füllte.
    Hinter ihm läutete die Glocke, und er drehte sich um. Sein zusammengeflicktes und durch einen Bypass verstärktes Herz raste vor Aufregung.
    Maureen war eine schlanke, leicht nach vorn gebeugte Frau von zweiundsechzig Jahren, die Witwe von Howards ehemaligem Partner. Ihre krumme Haltung ließ sie älter erscheinen, obwohl sie nach Kräften bemüht war, sich an ihre Jugendlichkeit zu klammern. Sie färbte sich die Haare pechschwarz, kleidete sich in grelle Farben und schwankte auf unverantwortlich hohen Stilettos umher, die sie im Laden gegen Gesundheitssandalen tauschte.
    Â»Morgen, Mo«, sagte Howard. Er hatte sich fest vorgenommen, nichts zu überstürzen, aber bald würden die Kunden kommen, und er hatte eine Menge zu sagen. »Hast du schon gehört?«
    Sie sah ihn fragend an.
    Â»Barry Fairbrother ist tot.«
    Ihr blieb der Mund offen stehen.
    Â» Nein! Wie das denn?«
    Howard tippte sich an die Schläfe. »Irgendwas ist kaputt gegangen. Da drin. Miles war dabei, hat alles mit angesehen. Auf dem Parkplatz vom Golfclub.«
    Â»Nein!«, wiederholte sie.
    Â»Mausetot«, sagte Howard, als gäbe es Abstufungen von Totsein und als sei die Art, wie Barry Fairbrother abgetreten war, besonders schäbig.
    Maureens grell geschminkte Lippen hingen herab, während sie sich bekreuzigte. Ihr Katholizismus verlieh solchen Augenblicken immer etwas Pittoreskes.
    Â»Miles war dabei?«, krächzte sie. Howard hörte ihrer tiefen Exraucherstimme das gierige Verlangen an, jede

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