Ein Prinz wie aus 1001 Nacht
auf dem Boden hatte liegen lassen, und reichte sie ihr. „Sie haben hier gelesen?“
„Ich … ja, danke.“ Unter seiner abschätzenden Musterung errötete Kirsten bis zu den Haarwurzeln. Starrte er sie nur so an, weil sie ihn gerade ebenso eindringlich angeschaut hatte, oder gab es noch einen anderen Grund?
Shahir konnte einfach nicht den Blick von ihrem gesenkten Kopf abwenden. Dieser süße, pinkfarbene Mund reizte ihn einfach zum Küssen.
Auch Kirsten spürte die Spannung, die sich plötzlich zwischen ihnen ausgebreitet hatte, war aber schrecklich verunsichert, weil sie das unbekannte Gefühl nicht einordnen konnte. Ein Teil von ihr wollte weglaufen, der andere wollte den aufregenden Moment ausdehnen, solange es nur ging. Verzweifelt suchte Kirsten nach irgendetwas, was sie sagen konnte.
„Ist Ihr Motorrad wenigstens heil geblieben?“
„Ich denke schon.“
Shahir hatte sich inzwischen wieder gefangen. Er ärgerte sich darüber, dass er sich durch diese ländliche Schönheit derart aus der Fassung hatte bringen lassen. Dabei war er an schöne Frauen gewöhnt. Frauen, die intelligent und welterfahren waren, mit einem exquisiten Geschmack und sicherem Auftreten.
Aber vielleicht war es gerade die frische, natürliche Schönheit und sittsame Bescheidenheit, die ihn an diesem zauberhaften Geschöpf anzog.
„Haben Sie es weit von hier aus …?“, fragte Kirsten vage.
„Nur bis zum Castle.“ Shahir beugte sich über seine schwere Maschine und stellte sie ohne sichtbare Anstrengung wieder auf die Räder. Er hätte ihr seinen Namen sagen können, sah aber keinen Sinn darin. Warum sollte er sie unnötig in Verlegenheit bringen, wenn sie sich höchstwahrscheinlich doch nie wiedersehen würden? Irgendjemand würde sie schon über ihren Fehler aufklären.
Ob er als Gast auf Strathcraig Castle wohnte?, überlegte Kirsten im Stillen. Bestimmt! Warum war sie nicht gleich darauf gekommen? Das war die einleuchtendste Erklärung für sein unvermutetes Auftauchen hier auf dem Hügel und für seine offensichtliche Weltgewandtheit.
Lieber Himmel! Und sie hatte ihn zurechtgewiesen und beleidigt! Ob er vorhatte, sich im Schloss über sie zu beschweren? Wenn man sie entließ, würde sie hier in der Gegend unter Garantie keine Anstellung mehr bekommen, und der nächste Tobsuchtsanfall ihres Vaters wäre vorprogrammiert.
Shahir setzte seinen Helm auf, warf das Motorrad an und fuhr davon, ohne mehr als einen flüchtigen Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Noch lange fühlte er sich von einem Paar jadegrüner Augen verfolgt, in denen Angst und Zweifel standen. Unwillkürlich fragte er sich, wie wohl ihr Leben verlief unter der Ägide dieses fanatischen Vaters, von dem sein Verwalter ihm erzählt hatte.
Und in der nächsten Sekunde, ohne dass er es beabsich tigt hatte, schoss es ihm durch den Kopf, wie Kirsten Ross wohl als Geliebte sein würde. Seine Geliebte …
Verblüfft über seine Gedanken, die sich zunehmend selbstständig machten, rief er sich gleich wieder zur Ordnung und entschied, dass so etwas überhaupt nicht sein Stil war.
Shahir war ein außerordentlich großzügiger Liebhaber und widmete sich der Frau an seiner Seite mit aller Aufmerksamkeit und Fürsorge – solange es eben dauerte. Doch weder begannen noch endeten seine Affären damit, dass sie sein Herz oder gar seine Seele berührten. Sex war für Shahir ein natürliches Vergnügen, das zum Leben gehörte wie Essen und Trinken. Trotzdem ließ er sich niemals von seiner Libido steuern oder kontrollieren – und schon gar nicht von der Frau, die er vorübergehend in sein Bett einlud.
In Kürze würden Geliebte allerdings ganz aus seinem Leben verschwinden müssen. Kirsten Ross erwartete im Zweifelsfall also nur eine vorübergehende Gastrolle, und durch ihren niederen Stand würde sie in einer Art und Weise von ihm abhängig sein, wie er es noch keinem weiblichen Wesen zuvor erlaubt hatte. Für einen Mann, der seine Freiheit bisher über alles geschätzt hatte, ein beängstigender Gedanke.
Was, zur Hölle, ist denn nur mit mir los?, fragte sich Shahir gereizt. In einer Minute denke ich daran, mich zu verheiraten, in der nächsten, mir eine Geliebte zu nehmen!
Mit bloßen Händen grub Kirsten ein Loch in den weichen Waldboden unter den Bäumen und verscharrte die verflixte Illustrierte darin. Dann rannte sie den größten Teil des Weges bis zur Farm, während Squeak japsend und hechelnd versuchte, ihr auf den Fersen zu bleiben. Kirsten schloss
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