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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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nie gesagt. Ich hatte immer noch Schiß. Du bist der erste, dem ich die Story erzähle.«
    »Keine Sorge«, sagte ich, »von mir erfährt sie keiner.«
    Dann begann mein Arsch ernsthafte Schwierigkeiten zu machen, und der Weißhaarige riet mir zu einer Spritze. Ich rief die Krankenschwester. Sie jagte mir eine von hinten in die Hüfte. Als sie ging, ließ sie den Vorhang zu, aber der Weißhaarige blieb immer noch sitzen, direkt davor. Und dann bekam er auch noch Besuch. Einen Menschen mit einer Stimme, die bis in meine verstopften Eingeweide hinein vibrierte. Der Kerl redete wirklich einen starken Strahl.
    »Ich werde die ganzen Schiffe am Eingang zur Bucht zusammenziehen, und da kurbeln wir das Ding runter. Wir zahlen dem Kapitän von einem dieser Kähne 890 Dollar im Monat, und er hat zwei Jungs unter sich. Wir haben eine komplette Flotte da. Ich sag mir, damit machen wir was. Das Publikum ist reif für ’ne gute See-Story. Die haben seit Errol Flynn keine gute See-Story mehr zu sehen gekriegt.«
    »Yeah«, sagte der Weißhaarige, »das läuft in Zyklen. Das Publikum ist jetzt soweit. Sie brauchen eine gute See-Story.«
    »Eben. Es gibt einen Haufen Kids, die noch nie eine See-Story gesehen haben. Und wo wir grade von Kids reden: Die werde ich in den Film groß reinbringen. Aus sämtlichen Luken laß ich die kriechen. Erwachsene nehmen wir nur für die Hauptrollen. Wir lassen einfach diese Schiffe auf der Bucht kreuzen und drehen das ganze in einem Riemen runter. Zwei von den Pötten haben keinen Mast, aber das ist alles, was dran fehlt. Wir geben ihnen zwei Maste, und dann legen wir los«.
    »Das Publikum wartet nur auf eine See-Story. Es läuft in Zyklen, und der Zyklus ist jetzt mal wieder fällig.«
    »Die da oben machen sich Sorgen, daß es zuviel kostet. Zum Deibel, das kostet uns gar nichts. Überleg doch mal …«
    Ich zog den Vorhang zur Seite und sagte zu dem Weißhaarigen: »Schau her, du wirst vielleicht denken, ich bin ein mieses Aas, aber ihr beiden hockt hier direkt an meinem Bett. Kannst du mit deinem Freund nicht zu deinem Bett rübergehn?«
    »Aber sicher, klar!«
    Der Produzent stand auf. »Ach je, das tut mir leid. Ich hab nicht gewußt …« Er war fett und eklig; selbstzufrieden, happy, zum Kotzen.
    »Schon gut«, sagte ich.
    Sie gingen zum Bett des Weißhaarigen und schwafelten weiter von ihrer See-Story. Sämtliche Sterbenden auf der 8. Etage des Queen of Angels Hospitals konnten die See-Story hören. Endlich ging der Produzent wieder weg.
    Der Weißhaarige sah zu mir herüber. »Das ist der größte Produzent der Welt. Er hat mehr großartige Filme produziert als irgendeiner in der Branche. Das war John F.«
    »John F.«, sagte der Pißvogel, »yeah, der hat ein paar großartige Filme gemacht, großartige Filme.«
    Ich versuchte zu schlafen. Eine Nacht durchschlafen zu wollen, war schwierig, denn alle schnarchten. Gleichzeitig. Der Weißhaarige war am lautesten. Morgens weckte er mich immer auf und klagte, er habe nicht schlafen können. In dieser Nacht brüllte der gelbe Pißvogel in einer Tour. Zuerst, weil er nicht scheißen konnte. Mein Gott, laß es wieder rutschen, ich kann nicht scheißen! Oder es tat ihm etwas weh. Oder wo denn bloß sein Arzt sei. Er hatte ständig einen anderen Arzt. Wenn ihn einer nicht mehr ertragen konnte, übernahm der nächste. Sie konnten nichts bei ihm feststellen. Es fehlte ihm auch nichts. Er wollte seine Mutter wiederhaben, aber seine Mutter war tot.
11
    Ich brachte sie schließlich dazu, daß sie mich in eine halbprivate Abteilung verlegten. Doch damit fuhr ich noch schlechter. Der Kerl auf meinem Zimmer hieß Herb, und es war so, wie mir der Krankenpfleger gesagt hatte: »Er ist gar nicht krank. Es fehlt ihm überhaupt nichts.« Er trug einen seidenen Morgenmantel, rasierte sich zweimal täglich, hatte einen Fernsehapparat, den er nie abstellte, und ständig kriegte er Besuch. Er war Direktor eines ziemlich großen Unternehmens und hatte zu der üblichen Masche gegriffen, seine grauen Haare kurz scheren zu lassen, um sich einen jugendlichen, effizienten, intelligenten und brutalen Anstrich zu geben.
    Der Fernseher, wie sich herausstellte, übertraf meine schlimmsten Erwartungen. Ich hatte nie einen Fernsehapparat besessen und war daher nicht an das Zeug gewöhnt, das da herauskam. Die Autorennen gingen noch, die konnte ich verkraften, obwohl sie außerordentlich eintönig waren. Doch dann gab es da noch eine Marathonveranstaltung im Dienste
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