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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Lächeln.
6
    Im Warteraum des Krankenhauses sah sich ein kleines Mädchen unsere grauen Gesichter an, unsere weißen Gesichter, unsere gelben Gesichter … »Alle Leute sterben!« verkündete sie. Niemand antwortete ihr. Ich blätterte in einer alten Nummer von ›Time Magazine‹. Nach dem üblichen Papierkram, nach Urin- und Blutproben, kam ich in ein Vierbettzimmer in der 8. Etage. Als nach der Religionszugehörigkeit gefragt wurde, sagte ich »katholisch« ; hauptsächlich wegen der hochgezogenen Augenbrauen und Fragen, die man zu gewärtigen hatte, wenn man »konfessionslos« eintragen ließ. Ich hatte die Fragerei und den ganzen bürokratischen Kram satt. Es war ein katholisches Krankenhaus – vielleicht konnte ich damit besseren Service kriegen oder den Segen des Papstes.
    Tja, da war ich nun eingesperrt, zusammen mit drei anderen. Ich, der Mönch, der Einzelgänger, der Spieler, Playboy, Idiot. Es war alles vorbei. Die geliebte Einsamkeit, der Kühlschrank voll Bier, die Zigarren auf der Kommode, die Telefonnummern von dickbeinigen Frauen mit dicken Ärschen.
    Einer da drin hatte ein gelbes Gesicht. Er sah aus wie ein großer dicker Vogel, den man in Urin getunkt und an der Sonne wieder getrocknet hatte. Er hieb ständig auf seinen Rufknopf. Er hatte eine weinerliche Fistelstimme. »Schwester, Schwester, wo ist Dr. Thomas? Dr. Thomas hat mir gestern Codein gegeben. Wo ist Dr. Thomas?«
    »Ich weiß nicht, wo Dr. Thomas ist.«
    »Kann ich eine Hustenpille haben?«
    »Da liegen doch welche auf Ihrem Nachttisch.«
    »Die helfen nicht gegen meinen Husten, und dieser Hustensaft taugt auch nichts.«
    »Schwester!« röhrte ein weißhaariger Kerl in dem Bett, das nordöstlich von mir stand. »Kann ich noch ein bißchen Kaffee haben? Ich möchte noch ein bißchen Kaffee.«
    »Ich seh mal nach«, sagte sie und ging.
    Aus meinem Fenster sah ich flache Berge, sanft ansteigende Berghänge. Ich sah hinaus auf die sanft ansteigenden Berghänge. Es standen lauter Häuser drauf. Alte Häuser. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, daß sie alle unbewohnt waren, daß die Leute da drin alle tot waren, daß alle aufgegeben hatten. Ich hörte zu, wie sich die drei Männer über das Essen beklagten, über den hohen Tagessatz, über die Ärzte und Schwestern. Wenn einer redete, schienen die anderen beiden nicht hinzuhören, sie gaben keine Antwort. Dann fing ein anderer an. Sie wechselten sich ab. Es gab sonst nichts zu tun. Sie sprachen undeutlich, von diesem und jenem. Ich hatte einen Wanderarbeiter im Zimmer, einen Kameramann und den gelben Pißvogel. Draußen vor meinem Fenster drehte sich ein Kreuz am Himmel – erst war es blau, dann rot. Es war dunkel geworden, sie zogen die Vorhänge um unsere Betten herum zu, und ich fühlte mich besser; doch ich machte die eigenartige Feststellung, daß Schmerzen oder die mögliche Aussicht auf den Tod mich der Menschheit nicht näher brachten. Besucher stellten sich jetzt ein. Mich besuchte niemand. Ich kam mir vor wie ein Heiliger. Ich sah aus dem Fenster, und in der Nähe des roten und blauen Kreuzes strahlte jetzt eine Leuchtreklame: MOTEL. Da lagen jetzt auch welche in den Betten, aber die hatten was Besseres zu tun. Die waren am Ficken.
7
    Ein armer Teufel in einer grünen Kluft kam herein und rasierte mir den Arsch. Was für schauderhafte Jobs gab es doch auf der Welt! Das hier war einer, der mir bisher entgangen war.
    Sie stülpten mir eine Badekappe über den Kopf und schoben mich auf eine Bahre mit Rädern dran. Jetzt wurde es ernst. Operation. Der Feigling rollte die Korridore entlang, an den Sterbenden vorbei. Ein Mann und eine Frau schoben mich. Sie lächelten und wirkten sehr relaxed. Sie rollten mich in einen Aufzug. Da standen schon vier Frauen drin.
    »Ich bin unterwegs zum Operationssaal. Hätte eine von den Damen vielleicht Lust, mit mir zu tauschen?« Sie drückten sich an die Wand und verweigerten die Auskunft.
    Im Operationssaal warteten wir auf den lieben Gott. Schließlich kam der liebe Gott herein: »Vell, vell, vell, da isstt ja unser Freuntt!«
    Ich machte mir erst gar nicht die Mühe, auf so eine unverschämte Lüge zu antworten.
    »Bitte umdrehen auf den Bauch.«
    »Na ja«, sagte ich, »jetzt ist es wohl zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen.«
    »Ya«, sagte der liebe Gott, »jetzt sind Sie in unserer Gewalt!«
    Ich spürte, wie sie mir den Lederriemen über den Rücken schnallten. Sie machten mir die Beine breit. Die erste Spritze ging rein.

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