Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
irgendeiner guten Sache, für die sie Geld sammelten. Das fing frühmorgens an und ging dann den ganzen Tag. Kleine Zahlen wurden eingeblendet, damit man sehen konnte, wieviel Geld sie schon beisammen hatten. Einer trat auf, der hatte so eine hohe weiße Mütze auf dem Kopf, wie ein Küchenchef. Keine Ahnung, was der darstellen sollte. Und sie hatten ein schauderhaftes altes Weib mit einem Froschgesicht. Sie war unvorstellbar häßlich. Ich traute meinen Augen nicht. Ich konnte es nicht fassen, daß diese Leute nicht merkten, wie häßlich und nackt und fleischig und abstoßend ihre Gesichter aussahen – wie eine Vergewaltigung alles Anständigen. Doch sie erschienen ungerührt mit ihren Gesichtern auf dem Bildschirm und redeten miteinander und lachten über irgendwas. Über die Witze zu lachen, fiel eigentlich sehr schwer, doch sie schienen damit keinerlei Schwierigkeiten zu haben. Diese Gesichter, diese Gesichter!
    Herb verlor darüber kein Wort. Er sah einfach hin, als interessiere es ihn. Die Namen der Leute sagten mir nichts, aber es waren alles irgendwelche Stars. Sobald einer angesagt wurde, gerieten alle aus dem Häuschen
    - außer mir. Ich konnte das nicht verstehen. Mir wurde ein bißchen übel. Ich wünschte mir, wieder in der alten Abteilung zu sein. Mittlerweile versuchte ich’s mit meiner ersten Darmentleerung. Es tat sich nichts. Nur eine Portion Blut. Es war Samstagabend. Der Priester schaute vorbei. »Möchten Sie morgen zur Hl. Kommunion?«
    »Nein danke, Pater. Ich bin kein besonders guter Katholik. Ich war schon 20 Jahre nicht mehr in der Kirche.«
    »Wurden Sie katholisch getauft?«
    »Ja.«
    »Dann sind Sie auch noch Katholik. Nur eben einer, der auf den Hund gekommen ist.«
    Genau wie im Kino – er machte auf kumpelhaft, wie Cagney, oder war es Pat O’Brien, der den weißen Priesterkragen umhatte? Meine Filme waren alle von früher; der letzte, den ich gesehen hatte, war ›The Lost Weekend‹.
    Er gab mir ein kleines Buch. »Lesen Sie das.« Er ging.
    GEBETBUCH stand auf dem Umschlag. Zum Gebrauch in Hospitälern und Anstalten.
    Ich las.
    O Ewige und allzeit geheiligte Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist mit allen Engeln und Heiligen
    - ich bete zu euch.
    Meine Königin und meine Mutter, dir will ich ganz gehören. Und zum Zeichen meiner Verehrung weihe ich dir mit dem heutigen Tage meine Augen, meine Ohren, meinen Mund, mein Herz, mein ganzes Wesen ohne Einschränkung.
    Leidendes Herz Jesu, erbarme dich der Sterbenden.
    O mein Gott, auf den Knien liegend bete ich zu dir.
    Kommt, ihr gesegneten Geister, und danket mit mir dem Gott der Barmherzigkeit, der mir unwürdigem Menschen seine unerschöpfliche Gnade schenkt.
    Meine Sünden waren es, lieber Jesus, die dir bitteres Leid bereiteten … es waren meine Sünden, die dich geißelten und mit Dornen krönten und ans Kreuz nagelten. Ich gestehe, daß ich nur Strafe verdiene.
    Ich stand auf und versuchte zu scheißen. Jetzt waren es schon drei Tage. Immer noch nichts. Nur wieder eine Portion Blut, und die Wunden in meinem Hintern rissen auf. Herb hatte eine Unterhaltungssendung laufen.
    »Der Batman wird heute abend auftreten. Ich will den Batman sehen!«
    »Yeah?« Ich kroch wieder ins Bett.
    Ganz besonders bereue ich meine Sünden der Ungeduld und des Zorns, meine Sünden der Mutlosigkeit und Hoffart.
    Der Batman trat auf. Alle in der Sendung schienen aufgeregt zu sein. »Da ist der Batman!«, sagte Herb.
    »Gut«, sagte ich, »der Batman.« Herzensgute Muttergottes, erlöse mich.
    »Er kann singen! Sieh doch, er kann singen!«
    Der Batman hatte sein Fledermauskostüm abgelegt und stand jetzt im Straßenanzug da. Er war ein sehr gewöhnlich aussehender junger Mann mit einem einigermaßen öden Gesichtsausdruck. Er sang. Der Song dauerte und dauerte, und aus irgendeinem Grund schien der Batman auf seine Singerei sehr stolz zu sein. »Er kann singen!« sagte Herb.
    Mein gütiger Gott, wer bin ich, und wer bist du, daß ich es wagen sollte, mich dir zu nähern?
    Ich bin nur ein armer, unglückseliger, sündiger Mensch, gänzlich unwürdig, vor deinem Antlitz zu erscheinen.
    Ich drehte dem Fernseher den Rücken zu und versuchte zu schlafen. Herb hatte das Ding sehr laut an. Ich hatte ein bißchen Watte, die ich mir in die Ohren stopfte, aber es half sehr wenig. Ich werde nie mehr scheißen, dachte ich, ich werde nie wieder scheißen können, nicht, solange dieses Ding da läuft, es verkrampft mir die ganzen Eingeweide … Diesmal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher