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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
Autoren: Charles Bukowski
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Wasser gefüllt hat. Außer mir standen noch drei Wanderarbeiter draußen, zwei Männer und eine Frau. Sie hatten laute Stimmen, einen Südstaatenakzent, und sie wirkten, als hätten sie noch nie was gehabt – nicht einmal Zahnschmerzen. Mein Arsch wurde von Zuckungen geschüttelt. Ich versuchte es mit Hinsetzen, doch das erwies sich als Fehler. Die drei hatten einen kleinen Jungen bei sich. Er kam angerannt und versuchte, an die Spülschüssel zu kommen. Er zerrte daran. »Nein, du Miststück, nein«, zischte ich ihn an. Beinahe hätte er sie mir weggenommen. Er war stärker als ich, aber ich ließ nicht los.
    O Jesus, ich bitte dich für meine Eltern, Verwandten, Wohltäter, Lehrer und Freunde. Lohne ihnen in ganz besonderer Weise die Mühen und Sorgen, die ich ihnen bereitet habe.
    »Du unverschämter kleiner Wichser! Laß meinen Scheißpott los!« sagte ich zu ihm.
    »Donny!« brüllte die Frau. »Laß diesen Mann in Frieden!«
    Donny lief weg. Einer der beiden Männer sah zu mir her. »Tach!« sagte er. »Tach«, antwortete ich.
    Das Taxi fuhr vor. Ein erfreulicher Anblick.
    »Chinaski?«
    »Yeah. Fahren wir.« Ich stieg mit meinem Scheißpott vorne ein und versuchte, so gut es ging, auf einer Backe zu sitzen. Ich sagte ihm, wohin ich wollte. Dann: »Passen Sie auf, wenn ich halt schreie, dann fahren Sie rechts ran. Hinter einer Plakatwand, einer Tankstelle, irgendwas. Aber fahren Sie ja nicht weiter. Es kann sein, daß ich scheißen muß.«
    »In Ordnung.«
    Wir fuhren los. Die Straßen gefielen mir jetzt viel besser. Es war Mittagszeit. Ich lebte noch. »Sagen Sie mal«, fragte ich ihn, »wissen Sie irgendwo einen guten Puff? Wo kann ich mir ein gutes sauberes billiges Stück Arsch besorgen?«
    »Mit so was kenne ich mich nicht aus.«
    »KOMM SCHON! KOMM SCHON!« röhrte ich ihn an. »Seh ich vielleicht nach Polente aus? Seh ich aus wie ein Spitzel? Bei mir brauchst du keine Bedenken zu haben, Amigo!«
    »Nee, im Ernst. Damit kenn ich mich nicht aus. Ich fahr nur tagsüber. Die von der Nachtschicht wissen vielleicht eher was.«
    »Okay, ich will dir’s mal glauben. Fahr jetzt da vorne rein.«
    Die alte Bruchbude sah gut aus, wie sie da zwischen all den Apartment-Hochhäusern stand. Mein 57er Plymouth war mit Vogelscheiße verkleistert, und die Reifen waren halb platt. Alles, was ich jetzt wollte, war ein heißes Bad. Ein heißes Bad. Heißes Wasser für meinen armen Arsch. Und meine Ruhe. Die guten alten Rennformulare. Die Gas- und Stromrechnungen. Die Briefe von einsamen Frauen, die zu weit weg wohnten, um sie zu ficken. Wasser. Heißes Wasser. Meine Ruhe. Mich wieder in meinen alten vier Wänden breitmachen, heimgekehrt in den Gully meiner gottverdammten Seele. Ich gab dem Fahrer ein gutes Trinkgeld und ging langsam die Einfahrt hoch. Die Tür stand offen. Weit offen. Jemand hämmerte auf irgendwas herum. Das Bett war abgezogen. Mein Gott, man hatte bei mir eingebrochen! Oder ich war gekündigt!
    Ich ging rein. »HEY!« schrie ich.
    Der Vermieter kam ins vordere Zimmer. »Ach je, so schnell haben wir Sie gar nicht zurückerwartet! Der Boiler war durchgerostet, wir mußten ihn rausreißen. Wir installieren einen neuen.«
    »Soll das heißen, es gibt kein warmes Wasser?«
    »Nee, kein heißes Wasser.«
    O gütiger Jesus, gerne will ich diese Prüfung erdulden, die du mir auferlegt hast.
    Seine Frau kam herein.
    »Oh, ich wollte grade Ihr Bett machen.«
    »Na gut. Schön.«
    »Den Boiler wird er sicher bis heute abend dran haben. Kann sein, daß wir nicht alle Sachen hierhaben. Sonntags ist so was schwer zu kriegen.«
    »Schon gut, ich mach das Bett«, sagte ich.
    »Lassen Sie nur, ich mach’s Ihnen.«
    »Nein, bitte, ich mach das selber.«
    Ich ging ins Schlafzimmer und begann das Bett zu beziehen. Dann kam es. Ich rannte ins Klo. Ich hörte, wie er draußen auf den Boiler einhämmerte. Ich war froh, daß er soviel Krach machte. Ich schickte ein stilles Stoßgebet zum Himmel. Dann legte ich mich schlafen. Ich hörte das Pärchen von nebenan. Er war betrunken. Sie stritten sich. »Das Problem mit dir ist, daß du von nix ’ne Ahnung hast! Du weißt nichts! Du bist dumm! Und außerdem bist du auch noch ’ne Hure!«
    Ich war wieder zuhause. Großartig. Ich wälzte mich auf den Bauch. In Vietnam lagen die Armeen im Clinch. In der Gosse lutschten die Penner an Weinflaschen. Die Sonne stand noch oben. Die Sonne kam, durch die Vorhänge herein. Ich sah eine Spinne über das Fensterbrett krabbeln. Ich sah eine
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