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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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ist eine verwickelte Sache: ein so flacher Materialist wie der Herr
Hellwig aus Potsdam, Landgerichtsrat und preußischer Spezialist gegen
Okkultismus, würde nicht viel Ersprießliches aus ihr herausholen. Nun gab es im
zwölften Jahrhundert eine Ketzerbulle nach der andern, die auf das arme Land
herunterdonnerte — die Kirche rückte auf einmal in den Mittelpunkt des
Interesses; da reichten die Kirchenräume nicht aus, und in dieser Zeit hat man
die Galerien angebaut. Man findet diese schweren alten Holzgalerien in fast
allen baskischen Kirchen. Eine besonders schöne, dreistöckige in der großen
Kirche zu Saint-Jean-de-Luz, das in der Nähe von Biarritz am Meer, kurz, vor
der spanischen Grenze liegt; dort ist Ludwig der XIV. getraut worden, und auch
das Haus Haraneder steht noch dort, in dem die Infantin Maria-Theresia vor
ihrer Hochzeit gewohnt hat.
    Die Kirche spielt eine große
Rolle in diesem Lande, das freiwillig fromm ist. Protestanten gibt es kaum —
wenn man ‹die Stadt» oder ‹das Dorf» sehen will, so braucht man sich nur nach
der Sonntagsmesse vor die Kirchentür zu stellen. Da strömen sie denn alle
heraus. Aber gar nicht in bunter Landestracht, romantisch, trutzig, wie aus dem
Roman. Die städtische Kleidung überwiegt; die Bauern tragen ihre schwarze Bluse
wohl auf dem Viehmarkt, aber nicht am Sonntag, und nur das ‹beret› trägt jeder.
Das ist eine runde Mütze, ohne Rand, ohne Schirm, sie sieht aus wie ein
Eisbeutel aus Tuch, mit einem kleinen Zippelchen oben drauf, manche pariser
Kinder tragen etwas ganz Ähnliches, und viele Autofahrer. Bergstiefel sieht man
kaum — die ‹espadrilles› sind weiße Sandalen, den Strandschuhen nicht
unähnlich, der Fuß geht in diesen dünnen Tuchüberzügen außerordentlich sicher,
und an die Sternchen gewöhnt man sich rasch.
    Aber man mag sich noch so oft
vor die Kirchentür stellen: eine vollständige baskische Sippe wird man nicht zu
sehen bekommen. Einer fehlt immer. Und der ist in Amerika.
    Die Auswanderung ist in der Tat
sehr stark. Die Basken sind gute und erfahrene Viehzüchter, und man muß sich
diese Auswanderung ja nicht als ein Notventil gedrückten Proletariats
vorstellen. Freie Bauern gehen hinüber, um Geld zu machen: nach Kalifornien, um
Hammel zu züchten; nach Argentinien zu den Rindern und die Minorität nach
Chile, um Handel zu treiben. Es sind hauptsächlich die jüngem Söhne, die
auswandem, die, die nicht erben und die im eignen Lande nicht in fremde Dienste
treten wollen. Drüben finden alle sofort Anschluß: einen Onkel, einen Freund,
einen Bruder. Und das Allermerkwürdigste ist: sie kommen alle zurück. Sie
sparen in Amerika das Geld, das sie in den langen, einsamen Weidemonaten nicht
ausgeben können und nicht ausgeben wollen — sie kommen als ältere Leute zurück
mit durchaus beachtlichem Vermögen, das heute, der Valuta wegen, größer ist als
vor dem Kriege; viele haben zu Hause eine, die auf sie wartet und nicht umsonst
wartet. «Les Américains» heißen die Zurückgekehrten, und man zeigt mit Stolz
ihre hübschen Landhäuser. Es sind zielbewußte Leute.
    Was tun nun diese baskischen
Bauern abends und am Sonntag, wenn sie nicht arbeiten?
     
    Als ich nach
Saint-Jean-Pied-de-Port kam, klebte an allen Ecken ein blauweißes Plakat:
Morgen, Sonntag:
     
    LA PELOTE
     
    La Pelote ist für den Basken,
was für den deutschen Stammtischler der Skat, für den Spanier der Stierkampf,
für den Franzosen das Manille-Spiel: Leib- und Magenzweck seines Hierseins.
«Man sollte die Basken in einem Turm bei Silber und Gold konservieren!» sagte
eines Tages ein Bewunderer des Landes. «Ja», erwiderte ein Baske. «Aber es muß
ein Pelotenspiel im Turm geben!» Ein Ballspiel — aber was für eins!
    Im kleinsten Dorf steht ‹le
fronton›: eine viereckige graue Steinmauer, sie steht frei, oben ist sie
zierlich geschwungen, davor ein freier Platz. Auf dem springen die Spieler
umher, die ‹pelotari›, sie schlagen, entweder mit der Faust oder mit der
chistera, einem schnabelartigen, gehöhlten Schläger, den kleinen steinharten
Ball an die Mauer, von der er mit scharfer Wucht zurückspringt. Es spielen vier
oder sechs Mann: zwei oder drei auf jeder Partei. Es wird abwechselnd
geschlagen: Partei A gibt, der Ball springt zurück, Partei B hat ihn
aufzufangen und zurückzuschleudern, wiederum A und so weiter. Die Schärfe, mit
der sie schlagen, wird nur noch von der Behendigkeit übertroffen, mit der sie
den kleinen, fliegenden, grauen

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