Ein Pyrenäenbuch
der Teufel, der Lourdes so scheußlich gemacht hat. Es ist der
Bürger.
Lourdes ist ein einziger
Anachronismus.
Diese organisierten Pilgerzüge
mit der Eisenbahn und dem ermäßigten Billett, diese elektrisch erleuchtete
Kirche, die aussieht wie ein Vergnügungslokal auf dem Montmartre, der
grauenhafte Schund, der da vorherrscht, nicht nur in den dummen Läden, sondern
in den Kirchen selbst, diese unfromm bestellten Altäre, Schreine, Ornamente,
Decken und Beleuchtungskörper —: mit Industriearbeit ist das eben nicht zu
machen. In Carcassonne steht in der Kathedrale ein altes Taufbecken, das ist
siebenhundert Jahre alt, und man möchte davor knien, so fromm ist es. Aber der,
der es gemetzt hat, hat geglaubt, er hat seinen Glauben in den Stein versenkt;
er machte ein Geschäft, indem er es lieferte, gewiß — aber es war doch ein
Taufbecken, und der Mann wußte sehr wohl, was er da unter den Händen hatte und
was es galt. Heute —? ‹Und liefern wir Ihnen einen Posten Ia Qualität
Taufbecken zu besonders kulanten Bedingungen^ Es ist aus. Die kirchliche Kunst
kopiert sich selber, und wenns gut geht, sind die Kopien wenigstens anständig.
Die Versuche, zu modernisieren, mißlingen kläglich — zwischen Erfrischungsraum
im Warenhaus und Bahnhofshalle ist da keine Dummheit ausgelassen. Gefühle kann
man nicht fabrizieren.
Sind daran nicht die Juden
schuld? Daran sind die Juden schuld. Huysmans: «Die Priester sollten daran
denken, wie sehr heutzutage das jüdische Elernent unter den Verkäufern von
frommen Andenken dominiert. Getauft oder nicht: es hat den Anschein, als ob
diese Kaufleute neben der Sucht, Geld zu verdienen, nun auch das unfreiwillige
Bedürfnis verspüren, den Messias noch einmal zu verraten: indem sie ihn in
einer Gestalt verkaufen, die ihnen der Teufel eingeblasen hat.» Da kann man
nichts machen.
Solch ein Wunderglaube, dessen
Form die absolute Herrschaft der Kirche zur Voraussetzung hat, ihre Herrschaft
besonders über die Finanzmächte der Länder — und ihm gegenüber diese Zeit: es
ist eine Dissonanz der Epochen, die hier aufeinanderstoßen. Es klingt nicht.
Und Kunstwerke bringt so etwas schon gar nicht hervor.
Und weil alles auf der Welt ein
greifbares Symbol findet, so leuchtet zwar abends die Basilika, oben strahlt
das Kreuz in der Luft auf dem fernen Berge — aber heller als alles andre brennt
eine Flammenzeile im dunklen Nachthimmel:
HOTEL ROYAL
Unten klingt das Credo. Keine
Zeit hat solche Sehnsucht nach Verkleidung wie die, die keine hat.
Ja, man sieht zu viel. Treibe
dich vierzehn Tage in der Stadt herum, und du fühlst nie mehr nasse Augen, aber
manchmal ein verdächtiges Zucken im Gesicht. In den Läden klingelt das Ave
Maria, das einmal so schön geklungen hat, im Bauch von heiligen
‹ Jungfrauen, die man innen erleuchten kann; Ansichtskarten, Bilder, Rosenkränze
sind von auserlesener Scheußlichkeit... Nebenerscheinungen? Ich weiß doch
nicht. Die Pilger fassens nicht so auf. Und während ich mich in Rumänien so oft
gefragt habe: «Wo, in aller Welt, kann man nur einen solchen ausgemachten
Plunder kaufen?» — jetzt weiß ich es.
Ich sehe:
Die fetten Bischöfe, die hier
Gastspiele geben, und die andern, die hier zu Hause sind — man sagt ihnen
Schauspielergesichter nach, aber man müßte das differenzieren. Da gibt es
ältere Heldenspieler, denen das Tripelkinn tragisch auf das Ornat fällt, da
gibt es Bonvivants und Väterrollen, und einer sah aus wie ein listiger,
verschmitzter Komiker — es hätte mich keinen Augenblick gewundert, wenn er die
Soutane an zwei Zipfel angefaßt und ein Couplet getanzt hätte. Ich gehe durch die
Verkäufer am Gitter, wo: sich der dürre Gebetlaut von drinnen fortsetzt, aber
hier ist es kein Latein, sondern: «Les cierges — les cierges — les cierges —»
und «Vanillevanillevanille...» Soll ich ihnen etwas abkaufen? Wenn ich sparsam
sein will, tue ich’s nicht. Denn im Hotel hing eine Tafel.
Pilger... welch altes, schweres
Wort. Man denkt an Männer mit Bärten und großen Stöcken, mit einem Bettelsack
und einem Heiligenschein um den Kopf... «Die Herren Pilger», stand im Hotel,
«die ihre Einkäufe an Andenken im Laden des Hotels machen, erhalten eine
Ermäßigung von 50 Prozent.» Hierauf sehn sich freudig an Pilgerin und
Pilgersmann.
Und ich sehe: die Brancardiers.
Die Krankenträger leisten eine
aufopfernde Arbeit. Es sind sämtlich Freiwillige, sie bekommen keinen Franc
Bezahlung. Ihr Dienst ist unendlich
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