Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)
sich jetzt bereits über die Welt verteilt haben. Wenn sie noch einen Rest Verstand haben. Die einzige Basis, die wir kannten, war Schloss Frankenstein, und das ist jetzt in den Händen der Braut und der Brut von Frankenstein.« Ich hielt inne, als mir plötzlich eine Idee kam. »Molly, könntest du nicht deine Magie an dieser Leiche wirken und ein paar Informationen aus ihm herausbekommen?«
»Nein«, meinte Molly. Ich konnte nicht umhin zu bemerken, dass das kein echtes Nein war. »Meine Kräfte beschränken sich auf die Lebenden. Meistens. Ich habe mich nie so sehr für Nekromantik interessiert.«
»Aber ich«, sagte Roger. »Tod und Verdammnis sind mein Ressort.«
Ich sah ihn an. »Du kannst Tote wiedererwecken?«
»Ich kann eine Leiche dazu bringen, sich aufzusetzen und zu reden«, sagte Roger bedächtig. »Das ist ein Unterschied. Und das auch nur bei den gerade erst Verschiedenen, deren Seele noch in der Nähe ist.«
»Walker konnte das auch«, warf der Waffenmeister ein.
»Das hat er nur einmal gemacht!«, entgegnete Roger. »Und er hatte die Stimme. Ich bin nur eine armselige kleine Höllenbrut und deshalb muss ich’s auf die altmodische Art machen.«
Er sah uns alle an, um sicherzugehen, dass er unser Einverständnis hatte. Nicht, dass ihm auch nur ein Deut an unserem Einverständnis lag, er wollte einfach sichergehen, dass wir uns alle darüber klar waren, was für eine unnatürliche und verdammenswürdige Sache er da vorhatte. Keiner von uns sagte Nein. Meine Familie ist schon immer in der Lage gewesen, die harten, kantigen und notwendigen Dinge zu tun.
Roger beugte sich über den toten Unsterblichen, lächelte auf die Leiche hinab und murmelte in einer Sprache etwas in sich hinein, die ich nicht einmal kannte. Die Luft um ihn schien sich langsam zu verdunkeln, als er eine Seite von sich enthüllte, die normalerweise verborgen war. Die andere, vielleicht die wahre Seite: sein dämonischer Aspekt. Stumpfe Hörner wuchsen ihm aus der Stirn. Seine Augen fingen Feuer, schwefelgelbe Flammen sprangen aus seinen glühenden Augäpfeln. Seine Finger wurden zu scharfen, bösartigen Klauen und seine Füße waren auf einmal grobe, klotzige Hufe. Wo er stand, begann der Holzboden zu versengen und Rauch stieg auf. Dunkle Schatten schienen sich um Roger Morgenstern zu winden, Ethels rosigem Glühen zum Trotz. Wo Roger war, schien das Licht blutrot zu sein.
Rogers Vater war vielleicht mein Onkel James, der legendäre Graue Fuchs, gewesen, aber bei seiner Mutter hatte es sich um einen Lustdämon aus der Hölle gehandelt. Ich hatte die Geschichte nie ganz gehört. Aber wenn man Roger jetzt so ansah, all seine teuflischen Aspekte herausgekehrt und direkt vor unserer Nase, war es schwer zu glauben, wie wir ihn je als einen von uns hatten annehmen können. Ich nahm seine Gegenwart in der Familie hin, weil er Harrys große Liebe und sein Lebensgefährte war und weil Roger in der Vergangenheit auf unserer Seite gekämpft hatte – aber jetzt mitzuerleben, wie er all die Dunkelheit in sich entfesselte, brachte mich dazu zu überlegen, ob wir nicht einen furchtbaren Fehler gemacht hatten.
Er sah aus wie das, was er ja auch war: Ein Höllengezücht, das man aus den Schwefelklüften entlassen hatte, damit es in die Welt kam und Schrecken und Böses zwischen uns verbreitete wie geistigen Krebs.
Harry blickte Roger mit einem Ausdruck an, der ganz wie Schock aussah, und ich erkannte, dass Harry diese Seite seines Geliebten nie geschaut hatte. Er beobachtete ihn gleichzeitig fasziniert und abgestoßen, als Roger eine elegante Manschette seines Hemds zurückschob und mit seiner Klaue eine Vene in seinem Handgelenk aufritzte. Dampfend heißes, dunkles Blut strömte in den offenen Mund der Leiche, füllte ihn schnell und lief an beiden Seiten über. Roger versiegelte die Wunde in seinem Handgelenk mit einer Berührung, dann lehnte er sich über den Toten. Er lächelte ein glückliches, zufriedenes Lächeln, als ob er sich daran erfreue, etwas zu tun, wozu er wenig Gelegenheit hatte.
»Blut meines Lebens für dich, Unsterblicher, für eine Weile. Mein Leben, um in dir zu kreisen und dich auf meinen Befehl zu erwecken und zu tun, was ich gebiete. Setz dich auf und sprich, kleiner, toter Mann, und sag mir, was ich wissen will.«
Der Mund der Leiche klappte auf einmal zu und die Kehle zuckte konvulsivisch, als sie schluckte. Die Augen richteten sich ohne zu blinzeln auf Roger, dann setzte die Leiche sich auf. Der Köper gab
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