Ein Quantum Tod: Roman (German Edition)
bis klar wurde, dass er nicht aufhören würde, sich zurechtzusetzen.
»Verdammt nochmal, entspannen Sie sich!«, rief sie aus. »Ich bin kein verflixter Zahnarzt!«
»Den mag ich auch nicht«, sagte William. »Wird es wehtun?«
»Vielleicht nicht körperlich«, sagte Ammonia.
William wollte wieder aufstehen, Iorith und ich mussten ihn schnell festhalten und wieder hinsetzen. William gab nach und schnitt Ammonia eine Grimasse.
»Ich verlange eine zweite Meinung!«
»In Ordnung«, sagte Ammonia. »Sie sind ein Drood und ich verachte alles, wofür Sie stehen. Und jetzt halten Sie die Klappe, damit ich mich konzentrieren kann.«
Ich erwartete, dass sie in eine Art Trance fallen oder mit den Händen herumfuchteln würde oder dass wenigstens ihre Augen aufleuchteten, aber da war nichts Dramatisches an dem, was sie tat. Sie stand da vor dem Bibliothekar, runzelte nachdenklich die Stirn und erwiderte seinen Blick. Plötzlich fiel mir auf, dass die Temperatur in der Alten Bibliothek fiel. In der Regel ist es der Bücher wegen ein wenig wärmer als gerade angenehm, aber jetzt wurde es zunehmend und spürbar kälter. Als ob etwas die Wärme aus der Bibliothek saugte. Selbst das Licht wurde düsterer. Schatten erfüllten auf einmal die Bücherregale um uns herum, bis wir alle uns schließlich in der einzigen Insel von echtem Licht befanden. Alles war still und schwieg, die ganze Aufmerksamkeit der Bibliothek war jetzt auf einen Ort konzentriert. Williams Gesicht war völlig leer, er blinzelte nicht und sein Blick war in weite Ferne gerichtet.
»Ich bin an den Schilden vorbei«, sagte Ammonia. Ihre Stimme klang ziemlich ruhig und sachlich. Sie hätte auch über ihre Einkäufe reden können. »Und es waren ein paar richtig fiese Sperren darunter. Aber nichts, mit dem ich nicht fertigwürde. Jetzt bin ich in seinem Kopf. Seine Gedanken sind völlig chaotisch. Mit seinen Erinnerungen wurde heftig herumgespielt, ganze Teile fehlen und sind zerstört. Offenbar absichtlich. Es gibt Dinge, die er entdeckt hat, Wahrheiten, die er nie hätte erfahren dürfen. Und irgendjemand wollte, dass er nie wieder daran denkt. Aber da ist noch mehr. Ganze Sektionen seines Verstandes sind ausgeschaltet worden. Er weiß nicht einmal, dass sie da sind. Noch mehr Schilde, mehr Schutzmechanismen ... hohe Wälle mit Stacheldraht darauf ... Was versuchst du vor mir zu verstecken, William? Oder was hatte all die Jahre jemand vor dir zu verstecken? Was verbirgt sich in deinem Kopf?«
Mit einem Mal explodierten in Williams Gesicht die Emotionen, es verzerrte sich vor Wut und Hass und einer grimmigen Bosheit. Er sah überhaupt nicht mehr wie William aus. Es war, als benutze jemand anders sein Gesicht als Maske, sehe aus seinen Augen und hasse jeden, den es ansah. Es sah Ammonia drohend an, die jedoch seelenruhig zurückstarrte.
»Sieh einer an. Was haben wir denn da geweckt? Wer bist du?«
»Verschwinde! Du gehörst nicht hierher! Du hast hier nichts zu suchen! Raus hier oder ich töte dich! Ich werde euch alle töten!«
Aber trotz all der Bosheit in seinem Gesicht und dem Gift in seiner Stimme rührte William keinen Muskel.
»Das ... das klingt gar nicht nach William«, sagte Iorith.
»Ist er auch nicht«, sagte Ammonia, offenbar immer noch völlig ruhig. »Da lebt jemand anders im Kopf dieses Mannes, in seinem Verstand, seinen Gedanken. Keine vollständige Person oder eine Persönlichkeit, es ist eher ein Überrest – ein Überrest dessen, was sein Bewusstsein vor all den Jahren angegriffen hat. Etwas Implantiertes, das gewachsen ist. Ein Samenkorn! Ja, ein psychisches Samenkorn! So tief in ihm versteckt, dass er nicht einmal selbst wusste, dass es da war. Das Samenkorn hat seinen Verstand langsam, aber sicher infiltriert, wie ein Parasit. Es hat ihn langsam gefressen und durch sich selbst ersetzt.«
»Es ist das Herz«, sagte ich. Mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Meine Hände waren zu Fäusten geballt. »Es ist das Herz, nicht wahr? Ich wusste immer, dass es ihm etwas Furchtbares angetan hat.«
»Ja.« Ammonia nickte langsam. »William ist nicht von der Familie oder dem Herrenhaus geflohen. Er wurde vertrieben. Ins Exil geschickt; ihm wurde befohlen, sich selbst zu verstecken, wo niemand ihn suchen würde, damit seine Familie nie entdeckt, was man ihm angetan hat. Es hat William zu seinem allerletzten Schlupfloch gemacht und den kleinsten Teil seines Selbst tief im Verstand dieses Mannes hinterlassen. Damit es, wenn dem Herzen
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