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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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werde lange und klug auf die Angestellten einreden, bis sie endlich begreifen, wie wunderbar es damals war, als die kleinen Blätterberge vor ihren Schuhen immer größer wurden. Dann werden auch die verstocktesten Statiker verstehen, daß es eine Wohltat ist, wenn man raschelndes Laub durchschreitet und dabei das unersetzliche und ganz unüberbietbare Gefühl entsteht, daß jeder Mensch immer ein und dieselbe Person ist mit einer einzigen, langsam anwachsenden und reicher werdenden Gedächtnisgeschichte. Diese Einsicht wird den Bauzeichnern und Statikern unendlich wohltun, und sie werden den Mann mit dem Hochdruckreiniger nach Hause schicken und einen Teil ihrer Gewinne in das neugegründete INSTITUT FÜR MNEMOSYNE investieren. Und ich werde Geld verdienen mit diesen Kursen! Gütiger Gott! Geld! Plötzlich sehe ich, wie unten auf dem Gehweg ein Mann stehenbleibt, sich einen Schuh auszieht, sich den während des Gehens verrutschten Socken zurechtzuppelt, den Schuh wieder anzieht und weitergeht. Dieser Mann bremst meinen Tagtraum, ich weiß nicht warum. Wahrscheinlich ist es der niederträchtige Anblick der Gewißheit, daß die Menschen auch noch in ihren Schuhen für Ordnung sorgen müssen. Ich fühle, wie mich mein Tagtraum wieder verläßt, beziehungsweise wie er sich zuerst in eine Bedrohung und dann in eine Beschämung verwandelt. Ich werde kein Geld verdienen, jedenfalls nicht mit Kursen über Gedächtniskunst. Ich habe die letzten euphorischen Sätze in den noch immer abgedunkelten Probenraum meiner Zukunft hineingesprochen, wo sie selber sehen müssen, ob sie etwas mit meinem Leben anfangen können. Ha! Erinnerungskunst für Angestellte! Damit können die gar nichts anfangen! Im Gegenteil, die fragen dreimal, wie man Mnemosyne denn schreibt, weil sie das Wort nie zuvor gehört haben. Die lachen dich aus! Gedächtniskunst! Was soll das denn sein! Mein Tagtraum flieht und verhöhnt mich während der Flucht. Das ist seine Art, ich kenne das seit langem. Gedächtniskunst! Das kann sich nur der Stubenhocker vom Haus gegenüber ausgedacht haben! Solche Phantasien verhindern auch heute, daß aus mir endlich ein lebenstüchtiger Mensch wird. Ich seufze, weil ich ein so kleiner, fehlbarer Mensch bin. Das ist die letzte Lektion des fliehenden Tagtraums. Warum brütet dein Hirn immer wieder derartig faule Eier aus, die niemand kaufen will? Warum denkst du immer wieder Gedanken, die dich nur selber beeindrucken und die du niemand mitteilen kannst (Lisa ausgenommen), weil niemand versteht (Lisa ausgenommen), wie ein ausgewachsener Mann davon überzeugt sein kann, daß er mit einem derartigen Humbug Geld verdienen könnte? Warum läßt du dich von einem Mann mit Hochdruckreiniger und ein paar Blättern derartig in die Irre führen? Wann endlich wirst du eine Idee haben, die auch anderen Menschen einleuchtet? Und für die sie Geld hinlegen, und zwar schnell!

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    Erschöpft von mir selber beschließe ich, zum Friseur zu gehen, damit heute wenigstens irgend etwas Vernünftiges geschieht. Zum zweiten Mal verlasse ich an diesem Tag die Wohnung, weil ich den Narrheiten meines Kopfes anders nicht entkommen kann. Aber du kannst nicht immer ein Ablenkungsleben führen, sage ich halblaut zu mir selber. Es muß für dich auch noch eine andere Leidenschaft geben als immer nur die Verschwindsucht. Dabei ist es schon halbwegs angenehm, meinen eigenen Beschimpfungen zu lauschen. Denn das süße Gift, das in ihnen steckt, macht mich gleichzeitig zum Gegenteil eines Beschimpften. Es ist die ebenfalls in ihnen steckende Übertriebenheit, die mich gleichzeitig wieder freispricht. Ich sage du alter Hottentotte nein Hosentrottel nein Trottelhose zu mir und muß über die Zärtlichkeit meiner Selbstverhöhnung schon wieder lachen. In gewisser Weise macht mich dieser frühe Nachmittag unangreifbar. Ich fühle die Zerbröckelung beziehungsweise Verflusung in mir, amüsiere mich gleichzeitig über sie und kann mir nicht recht böse sein. Margots Friseursalon ist nicht weit von meiner/unserer Wohnung entfernt. Er gehört zu den vielen kleinen Läden im Viertel, die fast täglich am Abgrund entlangtaumeln, genau wie ich. Insofern passen die kleinen Geschäfte und ich sehr gut zusammen. Anfangs habe ich Margots Salon nur besucht, weil er mich befremdete und gleichzeitig belustigte. Beziehungsweise weil ich nicht verstand, wie das zusammengeht, Fremdheit und Belustigung. Ich verstehe die Gleichzeitigkeit dieser beiden Wirkungen auch heute nicht, aber

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