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Ein Regenschirm furr diesen Tag

Ein Regenschirm furr diesen Tag

Titel: Ein Regenschirm furr diesen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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nicht. Im Gegenteil, ich denke jeden Tag mehrmals an sie, aber es macht mir nichts mehr aus, daß ich sie nicht mehr sehe. Wie lange wird es dauern, daß mir die Erinnerung an ihr Gesicht und an ihre Stimme verlorengeht? Gerade will ich in das Schaufenster eines spanischen Restaurants hineinsehen, da entdecke ich Himmelsbach. In seiner Begleitung Margot. Also doch! Himmelsbach trägt seine fast schon glitschig gewordene Lederjacke und redet auf Margot ein. An seinem Hals baumelt ein Fotoapparat. Er träumt immer noch seinen Fotografentraum und redet über ihn. Zwischendurch deutet er mit dem Zeigefinger auf die Kamera und nimmt sie kurz in die Hand. Das spanische Lokal heißt EL BURRO und erscheint passabel, jedenfalls von außen und auf den ersten Blick. Himmelsbach und Margot reden jetzt gleichzeitig und schauen während des Gehens und Redens auf den Boden. Ich werde ein wenig schwach in den Knien und habe das Bedürfnis, mich hinzusetzen. Aber ich darf mich jetzt nicht hinsetzen, ich muß Margot und Himmelsbach im Auge behalten. Wieso werde ich schwach in den Knien ? Es wäre mir lieber, ich würde im Kopf schwach werden, dann könnte ich vielleicht aufhören zu denken. So aber stelle ich mir jetzt die Frage, wie ich Himmelsbach sagen soll, daß er beim Generalanzeiger nicht mehr ankommt. Und wie soll ich seinen Verdacht zerstreuen, ich hätte an seiner Zurückweisung mitgewirkt? Wahrscheinlich werde ich so tun, als hätte ich vergessen, was er mir aufgetragen hat. Dann wird er mich für einen faulen Hausschuh halten und nicht mehr mit mir reden wollen. Mit diesem Ergebnis kann ich nur zufrieden sein. Wieso aber empfinde ich dann Schuld, daß aus Himmelsbach nichts wird? Außerdem ärgert mich, daß sich ein leichtes Rivalitätsgefühl in mir ausbreitet. Es ist, glaube ich, für mich das erste Mal, daß mir eine Frau sozusagen bei schwebendem Verfahren sozusagen weggenommen wird oder entgleitet. Gut, ich habe mich nicht weiter um Margot gekümmert. Ich hätte ihr zeigen müssen, daß ich mich für sie auch außerhalb des Friseur- Salons interessiere. Die entsetzliche Wahrheit ist, daß ich mich für sie außerhalb des Friseur-Salons kaum interessiere. Aber warum schmerzt mich dann ihr Anblick? Und warum möchte ich nicht, daß sie einem Typ wie Himmelsbach in die Hände fällt? Ein zischendes und pfeifendes Schienenreinigungsfahrzeug ruckelt vorüber und verhindert, daß mich meine eigenen Fragen weiter verfolgen. Himmelsbach legt während des Gehens seinen rechten Arm auf Margots Schultern und läßt seine Hand nach vorne baumeln. Ich hole ein wenig auf, weil ich sehen will, was Himmelsbach mit seiner baumelnden Hand macht und wie Margot auf sie reagiert. Es dauert nicht lange, dann läßt Himmelsbach seine Hand so pendeln, daß sie Margots Busen dann und wann berührt. Margot windet ihren Körper nicht aus der Umarmung heraus. Offenbar hat sie gegen die Berührungen nichts einzuwenden. Diese Entwicklung wirkt sich günstig auf mein Rivalitätsempfinden aus. Wegen seiner schülerhaften Annäherung tut mir Himmelsbach plötzlich leid. Seine Berührungen von Margots Busen sehen so aus (sollen so aussehen), als geschähen sie aus Versehen. Es ist unglaublich! Himmelsbach benimmt sich wie ein Sechzehnjähriger! Immer wieder streift Himmelsbachs Hand wie zufällig Margots Brustspitze. Genauso habe ich mich mit siebzehn der gleichaltrigen Judith genähert. Die Abstände zwischen Himmelsbachs Berührungen werden immer kürzer, bis seine rechte Hand einmal flüchtig fast vollständig Margots rechte Brust umfaßt und Margot über das Ergebnis der Annäherung weder erschrickt noch verwundert scheint. Es ist nicht zu glauben! Der ungefähr zweiundvierzigjährige Himmelsbach nähert sich der kaum jüngeren Margot, indem er die schimmeligen Tricks der Pubertät wiederholt.
    In meinem Inneren mache ich ihn deswegen endgültig zu einer grotesken Figur. Wenn ich mich nicht täusche, fällt es mir jetzt nicht schwer, Margot aufzugeben. In meinem Denken läuft ein sonderbarer Handel ab. Himmelsbach hat mir, ohne es zu wollen, beim Generalanzeiger wieder zu einer Arbeit verholfen. Zum Ausgleich überlasse ich ihm dafür kampflos eine Frau. Mit dem Schmerz, den ich beim Verlust empfinde, bezahle ich die Schuld, daß ich bei der Vermittlung von Himmelsbach nicht erfolgreich war. Ist es so? Aber ich empfinde auch Schuld darüber, daß ich selbst bei Messerschmidt Glück (Erfolg) habe oder haben werde. Diese sonderbare Schuld ist

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