Ein Regenschirm furr diesen Tag
ich das gesagt? frage ich.
Hast du damals gesagt, sagt Messerschmidt, ich weiß sogar noch wo, in der Pizzeria am Adenauer-Platz, die es heute nicht mehr gibt, erinnerst du dich?
Ich schaue Messerschmidt ins Gesicht und erinnere mich nicht.
Die Lüge von Casablanca besteht darin, hast du gesagt, sagt Messerschmidt, daß er die Sphäre von wirklichen Lebensentscheidungen und die Sphäre der Nullentscheidungen der Zuschauer so sehr miteinander vermischt, daß für die Leute im Kino die Täuschung entsteht, auch sie würden inmitten bedeutsamer Zuspitzungen leben.
Habe ich das gesagt?
Druckreif hast du das gesagt, sagt Messerschmidt, und du hast hinzugefügt, genaugenommen ist nicht der Film verlogen, sondern nur der Gebrauch, den die Leute von ihm machen, aber genau deswegen ist auch der Film verlogen, weil er den Zuschauern eine solche Lüge gestattet.
Für damalige Verhältnisse klingt das gut, sage ich.
Heute würdest du nicht mehr so urteilen? fragt Messerschmidt.
Doch, sage ich, ich würde nur hinzufügen, daß der Film auch dem Interpreten ein paar Täuschungen erlaubt.
Wir lachen.
Siehst du! ruft Messerschmidt aus, willst du noch Kaffee?
Nein, danke.
Ich halte die Hand über meine leere Tasse. Die triumphierende Art, wie Messerschmidt mich erinnert, macht mich verlegen. Dabei ahne ich, daß noch viel stärkere Verlegenheiten auf mich zukommen. Messerschmidt holt den weggeschobenen Pfirsich wieder zu sich heran und zerschneidet ihn in kleine Stücke. Aus seiner Schublade holt er sich eine Kuchengabel und spießt damit die Pfirsichstücke auf, ehe er sie sich in den Mund schiebt. Ich fürchte schon, daß er mir ebenfalls eine Kuchengabel gibt und mich zum Mitessen auffordert.
Willst du nicht wieder für mich arbeiten? fragt Messerschmidt; es hat doch damals ganz gut geklappt mit uns beiden?! Ich weiß ja nicht, was du heute machst, aber wenn du Lust hast, wie gesagt, sagt Messerschmidt.
Ich weiß gar nicht, ob ich das heute noch kann, sage ich, und ich sage diesen Satz nur, weil ich Messerschmidts Angebot nicht sofort ablehnen will.
Ha! macht Messerschmidt, ist diese Bescheidenheit gespielt oder echt?
Es ruft meinen Dünkel hervor, daß sich Messerschmidt über meine Bescheidenheit Gedanken macht. Immerhin weiß er nicht, daß ich mich nur dann wohl fühle, wenn ich in jeder Lebenssituation etwas verbergen kann. Dahinter steht vermutlich der mich bis heute erstaunende Mechanismus, daß sich neue Identität dann bildet, wenn einem jemand zu nahe tritt. Es besteht die Möglichkeit, daß durch meine Nachdenklichkeit die Verbindung zu Messerschmidt abreißt. Schon bin ich stumm und starre erst auf die Schreibtischkante, dann auf die Reste des Pfirsichs. Vermutlich hält Messerschmidt mein Schweigen bereits für ein Nachdenken über sein Angebot.
Du kannst es dir ja überlegen, sagt Messerschmidt, ein Anruf genügt.
Und über Himmelsbach müssen wir nicht mehr sprechen? frage ich.
Hoffentlich mache ich dir damit keinen Ärger, aber Himmelsbach möchte ich nicht mehr sehen.
Na gut, sage ich.
Schon auf dem Heimweg bin ich nicht mehr völlig sicher, daß ich Messerschmidts Angebot ausschlagen werde. Obwohl ich das Geld dringend brauche, das ich beim Generalanzeiger verdienen kann/könnte, denke ich dabei nicht an mich, sondern an Susanne. Susanne wird die Welt der Zeitung überschätzen und sich an meiner Seite endlich selber bedeutsam vorkommen. Hinter mir gehen ein paar unangenehm laut sprechende Angestellte. Ich trete kurz in einen Hauseingang und lasse die Leute an mir vorbeiziehen. Jetzt habe ich einen Mann vor mir, dessen linkes Bein eine Idee kürzer ist als das rechte. Bei jedem Schritt sinkt der Mann mit seiner linken Körperhälfte ein wenig ein, wodurch sein Gang schaufelartig wird. Dieser Schaufelgang ist im Augenblick genau das richtige für mich, denke ich und ahme den Gang des Mannes eine Weile nach. Kurz vor der Brücke begegnet mir Anuschka, der ich vor dreizehn Jahren eine Weile den Hof gemacht habe, die mich dann aber abwies und dabei den Satz sagte: Ich bin doch viel zu knochig für dich. Durch eine knappe Bewegung (sie stellt ihr Gesicht schräg und zeigt mir die abweisende Glätte ihrer linken Wange) teilt sie mir mit, daß sie nicht angehalten und nicht angesprochen werden möchte. Ich habe die Bitte verstanden und komme ihr nach. Ich gehe mit einem Kopfnicken an Anuschka vorbei und wiederhole dabei stumm ihren Satz von damals: Ich bin doch viel zu knochig für dich. Wie
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