Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
Mr. Andropow?«, fragte Clarke, als Starr auf »Pause« drückte.
»Nein.«
»Sind Sie da sicher? Vielleicht wenn DI Starr es noch einmal abspielt …?«
»Hören Sie, worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Wir verfügen hier in der Stadt über ein kriminaltechnisches Labor, Mr. Andropow. Die Kollegen dort haben eine ziemlich hohe Trefferquote vorzuweisen, was Stimmenidentifizierung anbelangt …«
»Was kümmert’s mich?«
»Es kümmert Sie insofern, als Sie das auf der Aufnahme sind, der Boris Aksanow gegenüber den Wunsch äußert, den Dichter Alexander Todorow tot zu sehen – den Dichter, der Sie erst kurz zuvor gedemütigt hatte, den Dichter, der gegen alles opponierte, wofür Sie stehen.« Wieder eine Pause. »Und der genau am darauffolgenden Abend tot war.«
»Wollen Sie damit sagen, ich habe ihn getötet?« Diesmal lachte Andropow lauter und länger. »Und wann genau sollte das gewesen sein? Habe ich mich aus der Hotelbar weggezaubert? Habe ich Ihren Entwicklungsminister hypnotisiert, so dass er mein Verschwinden nicht bemerkte?«
»Es könnten andere in Ihrem Auftrag gehandelt haben«, stellte Starr eisig fest.
»Tja, ich fürchte, es wird für Sie nicht leicht sein, das zu beweisen – weil es eben nicht stimmt.«
»Warum sind Sie zur Lesung gegangen?«, fragte Clarke. Andropow starrte sie an und gelangte zu dem Schluss, dass es ihm nicht schaden würde, die Frage zu beantworten.
»Boris erzählte mir, er sei ein paar Wochen zuvor auf einer anderen gewesen. Ich war neugierig. Ich hatte Alexander noch nie vor Publikum lesen sehen.«
»Mr. Aksanow hat auf mich nicht direkt wie ein Lyrikfan gewirkt.«
Andropow zuckte die Achseln. »Vielleicht hatte ihn das Konsulat dort hingeschickt.«
»Warum sollte es das tun?«
»Um zu erfahren, wie viel Ärger Alexander während seines Aufenthalts in der Stadt zu machen beabsichtige.« Andropow setzte sich um. »Alexander Todorow war Berufsdissident – er verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er gutmenschelnde Liberale in der ganzen westlichen Hemisphäre anschnorrte.«
Clarke wartete ab, ob Andropow dem noch etwas hinzuzufügen hatte. »Und als Sie sein letztes Gedicht hörten?«, fragte sie in die Stille hinein.
Das Achselzucken wirkte diesmal versöhnlich. »Sie haben recht, ich war wütend auf ihn. Was geben Dichter der Welt? Beschaffen sie Arbeitsplätze, Energie, Rohstoffe? Nein … bloß Worte. Und oft genug für gutes Geld – mit Sicherheit erheblich mehr Geld, als sie eigentlich verdienen. Alexander Todorow war genau deswegen vom Westen so gehätschelt worden, weil er dessen Bedürfnis befriedigte, Russland als ein korruptes und korrumpierendes Land zu sehen.« Andropow ballte seine rechte Hand zur Faust, widerstand aber der Versuchung, auf den Tisch zu hauen. Stattdessen atmete er tief ein und geräuschvoll durch die Nase wieder aus. »Ich hatte wirklich gesagt: ›Ich wünschte, er wäre tot‹, aber auch das waren nur Worte.«
»Trotzdem, könnte Boris Aksanow sie nicht als Aufforderung zum Handeln verstanden haben?«
»Haben Sie Boris kennengelernt? Er ist kein Killer, sondern ein Teddybär.«
»Bären haben Klauen«, fühlte sich Starr bemüßigt anzumerken. Andropow warf ihm einen bösen Blick zu.
»Danke für die Information – als Russe konnte ich das natürlich unmöglich wissen.«
Starr wurde rot. Um von dieser Tatsache abzulenken, drückte er wieder auf die Playtaste, und sie hörten alle ein weiteres Mal zu. Dann drückte Starr auf »Pause« und klopfte noch einmal mit dem Finger auf das Gerät. »Ich würde sagen, wir haben genug in der Hand, um Anklage gegen Sie zu erheben«, erklärte er.
»Tatsächlich? Na, dann warten wir doch ab, was einer Ihrer berühmten Edinburgher Barrister dazu zu sagen hat.«
»Es gibt keine Barrister in Schottland«, giftete Starr.
»Die heißen hier advocates«, erklärte Clarke. »Aber was Sie in diesem Stadium eigentlich bräuchten, wäre ein Solicitor – wenn wir Sie anklagen würden.« Ihre letzten Worte waren an Starr gerichtet, als Appell an ihn, es nicht auf die Spitze zu treiben – noch nicht.
»Nun?« Andropow hatte sie verstanden und richtete seine Frage jetzt an Derek Starr. Starr bewegte die Lippen, schwieg jedoch. »Mit anderen Worten, ich darf gehen?« Andropow hatte sich wieder zu Clarke gewandt, aber es war Starr, der ihm eine Antwort zubellte.
»Aber bleiben Sie im Land!«
Was den Russen noch einmal zum Lachen brachte. »Ich habe nicht die Absicht, Ihr
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