Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
über die Wange lief.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Das nimmt Sie bestimmt ziemlich mit.«
»Finden Sie bloß den Mann, der Alexander das angetan hat.« Sie wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Bitte.«
»Dank Ihnen«, versicherte er ihr, »sind wir schon einen Schritt weiter.« Er las ihre Übersetzung des Gedichts. »Das dürfte Andropow ziemlich wütend gemacht haben – als gierig und ›Fäule‹ und ›Volksverräter‹ bezeichnet zu werden …«
»Wütend genug, um dem Dichter den Tod zu wünschen«, bestätigte Clarke. »Aber heißt das auch, dass er es getan hat?«
»Vielleicht sollten wir ihn fragen«, sagte Rebus.
Siobhan Clarke hatte über eine Stunde gebraucht, um DI Derek Starr die ganze Geschichte zu erzählen. Anschließend hatte er sich noch eine Weile darüber beschwert, »im Dunkeln gelassen« worden zu sein, bevor er endlich seinen Segen dazu gab, dass Sergei Andropow zur Vernehmung abgeholt wurde. Sie mussten drei Detectives aus dem VR scheuchen. Die Männer hatten sich da häuslich eingerichtet und fluchten darüber, ihren ganzen Krempel wegräumen zu müssen.
»Hier riecht’s ja wie im Sackhalter eines Fullbacks«, kommentierte Starr.
»Da kann ich nicht mitreden«, erwiderte Clarke mit einem schmalen Lächeln. Im CID-Raum war ihr Goodyear über den Weg gelaufen, und auch er hatte sich beschwert, einfach so in der West-End-Wache sitzengelassen zu werden … Und es stimmte schon, kaum hatte sie mit Colwell gesprochen, war Clarke schnurstracks zu ihrem Auto gegangen, ohne Goodyear zu verständigen.Trotzdem hatte sie den jungen Mann ruhig angesehen und deutlich skandiert entgegnet: Gewöhnen – Sie – sich – daran. Worauf er geantwortet hatte, er sei wirklich reif für seine Rückversetzung nach Torphichen und in die Constable-Uniform.
Sie hatten einen Streifenwagen zum Caledonian Hotel geschickt. Vierzig Minuten später kam er wieder zurück. Es war fast acht, der Himmel schwarz und die Luft zunehmend kälter.
»Habe ich das Recht auf einen Anwalt?«, war Sergei Andropows erste Frage.
»Glauben Sie, Sie brauchen einen?«, gab Starr zurück. Er hatte sich einen CD-Player ausgeliehen und klopfte die ganze Zeit mit einem Finger darauf.
Andropow ließ sich Starrs Frage durch den Kopf gehen, zog dann den Mantel aus, legte ihn über die Stuhllehne und nahm Platz. Clarke saß neben Starr, Notizbuch und Handy vor sich. Sie hoffte, Rebus – der draußen in seinem Auto saß – würde es schaffen, sich ruhig zu verhalten.
»Sind Sie so weit, DS Clarke?«, sagte Starr und presste die Hände aneinander.
»Mr. Andropow«, begann sie, »ich habe vor kurzem mit Boris Aksanow gesprochen.«
»Ach ja?«
»Wir haben uns über die Lesung in der Scottish Poetry Library unterhalten … Sie waren doch auch da?«
»Hat er Ihnen das erzählt?«
»Es gibt genügend Zeugen, Sir.« Sie schwieg kurz. »Wir wissen bereits, dass Sie Alexander Todorow von Moskau her kannten – und dass Sie beide nicht gerade die besten Freunde waren …«
»Noch einmal, wer hat Ihnen das erzählt?«
Clarke ignorierte die Frage. »Sie sind mit Mr. Aksanow zur Lesung gegangen, und dann mussten Sie da sitzen und sich anhören, wie der Dichter einen neuen Text aus dem Stegreif vortrug.« Clarke faltete die Übersetzung auseinander. »Herzloser Appetit... Des Bauches Gier kennt keine Sattheit … O über die Volksverräter … Nicht gerade ein Liebesbrief, was?«
»Es ist nur ein Gedicht.«
»Aber an Sie gerichtet, Mr. Andropow. Sind Sie nicht auch ein ›Kind von Schdanow‹?«
»Wie viele tausend andere auch.« Andropow lachte leise. Seine Augen glänzten.
»Apropos«, sagte Clarke, »ich hätte Ihnen gleich zu Anfang mein Mitgefühl aussprechen müssen …«
»Weswegen?« Die Augen hatten sich verengt.
»Wegen Ihres lädierten Freundes. Haben Sie ihn im Krankenhaus besucht?«
»Sie meinen Cafferty?« Ihre Taktik schien ihn nicht weiter zu beeindrucken. »Er wird’s überleben.«
»Zweifellos ein Grund zur Freude.«
»Worauf, zum Teufel, will sie eigentlich hinaus?« Andropow hatte die Frage an Starr gerichtet, aber die Antwort kam von Clarke.
»Würden Sie sich das vielleicht kurz anhören?« Auf ihr Stichwort drückte Starr auf die Abspieltaste. Der Lärm vom Ende der Todorow-Lesung erfüllte das Zimmer. Stühlescharren, Gesprächsfetzen, Kommentare über die Veranstaltung, Verabredungen zu Drinks oder Abendessen … und dann der kurze Satz auf Russisch.
»Erkennen Sie das,
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