Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
… Früher wurden da im Winter und an den Wochenenden die Bürgersteige hochgeklappt.«
Gentry lächelte. »Warten Sie’n Moment, ja?« Er war höchstens eine Minute weg. Als er wieder auftauchte, hielt er Rebus etwas hin: eine CD in einer durchsichtigen Plastikhülle. Darin lag ein zusammengefaltetes Stück Papier mit den Titeln von drei Tracks. »Mein Demo«, verkündete Gentry stolz.
»Toll«, sagte Rebus. »Wollen Sie die CD zurück, nachdem ich sie mir angehört habe?«
»Ich kann mir eine andere brennen«, antwortete Gentry mit einem Kopfschütteln.
Rebus klopfte mit der CD gegen seine geöffnete linke Hand. »Die nehme ich wirklich gern an, Eddie. Solange Sie nicht annehmen, ich würde mich damit schmieren lassen.«
Gentry machte ein entsetztes Gesicht. »Nein, ich dachte bloß …«
Aber Rebus berührte ihn an der Schulter und versicherte ihm, dass das ein Witz gewesen sei. »Ich sollte jetzt gehen«, sagte er. »Danke noch mal.« Er winkte ihm mit der CD zu und verließ die Wohnung. Als er die Treppe hinunterzusteigen begann, sah er Nancy Sievewright, den versiegelten Plastikbeutel mit der Vernehmungskassette noch immer in der Hand, die Treppe emporsteigen. Rebus nickte ihr lächelnd zu, sagte aber nichts. Er spürte, wie sie ihm nachsah. Unten angekommen, schaute er nach oben – und tatsächlich hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt.
»Hab’s ihm grad gesagt«, rief er zu ihr hinauf.
»Wem was gesagt?«, rief sie zurück.
»Ihrem Mitbewohner Eddie«, antwortete er. »Der, den Sie uns anzudrehen versucht haben …«
Er trat hinaus auf die Straße und schloss sein Auto auf. Es stand im Halteverbot, hatte aber kein Knöllchen abgekriegt.
»Mein Glückstag«, sagte er sich. Er hatte sich endlich dazu durchgerungen, sich einen CD-Player in den Saab einbauen zu lassen. Er nahm Gentrys freundliche Gabe aus ihrer Hülle und schob sie in den Schlitz, dann sah er sich die Titel der Songs an.
»Meg’s Mons«.
»Minstrel in Pain«.
»Reverend Walker Blues«.
Sie gefielen ihm schon jetzt. Er drehte den Ton leiser, holte sein Handy heraus und rief Siobhan Clarke an.
»Erzählen Sie mir, dass Sie in einem Pub sind«, waren ihre ersten Worte.
»Eigentlich auf der Blair Street, und Sie schulden mir zwanzig Piepen.«
»Ich glaub’s nicht.«
»Warten Sie nur, bis ich’s Ihnen sage.« Er legte eine Kunstpause ein. »Sievewright bekommt ihren Stoff von einem gewissen Sol. Ihr Mitbewohner glaubt, er wäre nach der Sonne benannt, aber wir wissen es besser, oder?«
»Sol Goodyear?«
»Ich geh also davon aus, dass Todd nicht in Hörweite ist?«
»Macht mir grad einen Kaffee.«
»Ist das nicht lieb von ihm?«
»Sol Goodyear?«, wiederholte sie, als könnte sie es noch immer nicht fassen. Schließlich fragte sie ihn, was er da gerade hörte.
»Nancys Mitbewohner spielt Gitarre.«
»Ich vermute mal, er sitzt nicht neben Ihnen im Auto.«
»Wahrscheinlich brüllt er gerade die Sievewright an. Aber er hat mir eine Demo-CD von sich geschenkt.«
»Das war nett von ihm. Ich wette, Sie wissen selbst nicht, wann Sie das letzte Mal etwas gehört haben, das nach 1975 entstanden ist.«
»Sie haben mir dieses Album von Elbow geschenkt …«
»Stimmt.« Genug abgeschweift. »Dann müssen wir jetzt also auch Todds Bruder auf unsere Liste setzen?«
»So wird’s nicht langweilig«, tröstete Rebus sie. »Haben Sie schon einen Termin mit Jim Bakewell?«
»Konnte ihn noch nicht erreichen.«
»Und Macrae?«
»Möchte das Team um zwanzig weitere Köpfe aufstocken.«
»Solange der Rest auch noch dranhängt …«
»Er spielt sogar mit dem Gedanken, Derek Starr von Fettes zurückzuholen.«
»Womit er Sie zur Vize machen würde?«
»Wenn ich wenigstens ordentlich was angestellt hätte, um das zu verdienen …«
»Sie hätten eben auf mich hören sollen, Shiv. Ich hätte Ihnen ein paar gute Tipps geben können. Sehen wir uns später im Pub?«
»Ich glaub, ich möchte heute lieber früh ins Bett … nichts für ungut.«
»Kein Problem, aber bilden Sie sich ja nicht ein, ich würde das mit dem Zwanziger vergessen.« Rebus beendete das Gespräch und drehte die Musik ein bisschen lauter. Gentry summte zur Melodie, und Rebus wusste nicht, ob es Absicht war, dass das Mikro das aufgenommen hatte. Es war noch immer der erste Track, »Meg’s Mons«. Er fragte sich, ob es sich bei Meg um eine reale Frau handelte. Als er auf den Zettel in der durchsichtigen Plastikhülle sah, meinte er die Schrift zu erkennen, die
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