Ein Rest von Schuld - Rankin, I: Rest von Schuld - Exit Music
Clarke quittierte das mit einem müden Lächeln, und Goodyear ließ mit einem Seufzer die Schultern sinken. »Wenn Sie Sols Adresse herausgefunden haben, möchten Sie dann, dass ich mitkomme?«
»Unmöglich«, sagte sie. »Sie sind sein Bruder.«
Er verstand es und nickte.
»Ich vermute, um die Messerstecherei hat sich das West End gekümmert?«, fragte sie. Womit sie die Polizeiwache am Torphichen Place meinte. Wieder nickte Goodyear.
»Sie haben ihm in der Notaufnahme ein paar Fragen gestellt. Als ich eintraf, hatte man ihn schon auf eine Station gebracht. Nur bis zum nächsten Tag, zur Beobachtung.«
»Glauben Sie, er hat den Beamten was gesagt?«
Goodyear zuckte die Achseln. »Bloß, dass er ganz friedlich was trank und so ein Typ Stunk mit ihm angefangen hat. Sie sind vor die Tür gegangen, und Sol hat den Kürzeren gezogen.«
»Und der andere?«
»Über den hat er nichts gesagt.« Goodyear biss sich auf die Unterlippe. »Wenn Sol in die Sache verwickelt ist … bedeutet das einen Interessenskonflikt? Zurück auf meine frühere Wache und in die Uniform?«
»Ich werde DCI Macrae fragen müssen.«
Er nickte wieder, jetzt aber traurig. »Ich wusste nicht, dass er noch dealte«, betonte er. »Vielleicht lügt Sievewright ja …«
Clarke stellte sich vor, wie sie ihm eine Hand auf den Arm legte, ihm Trost zusprach. In der wirklichen Welt allerdings ließ sie ihn einfach stehen und ging zurück in den ohnehin schon überfüllten CID-Raum. Man hatte sich Stühle aus den Vernehmungsräumen geborgt, und sie musste sich zwischen ihnen hindurchschlängeln, um zu ihrem Schreibtisch zu gelangen. Da saß schon ein anderer Beamter. Er entschuldigte sich zwar, räumte den Platz aber nicht. Drei weitere Detectives drängten sich um Rebus’ Schreibtisch. Clarke griff zu ihrem Telefon und rief die Torphichen-Wache an. Sie wurde zum CID durchgestellt und hörte Detective Inspector Shug Davidsons Stimme.
»Ich möchte Ihnen danken«, sagte er schmunzelnd, »dass Sie uns Ray Reynolds abgenommen haben.« Sie sah hinüber zu Reynolds, seit neun Jahren Detective Constable und ohne jede Aussicht auf Beförderung. Er stand vor der »Mordwand« und rieb sich den Magen, als bereitete er sich auf einen seiner berüchtigten Rülpser vor.
»Trifft sich gut«, sagte sie zu Davidson, »denn jetzt können Sie zum Ausgleich mir einen Gefallen tun.«
»Was hör ich da von John – er hat einen Tritt in den Hintern gekriegt?«
»Wie sich doch alles rumspricht …«
»Das Alter hat ihn nicht weicher gemacht – ist ein Zitat aus irgendwas.«
»Hören Sie, Shug, erinnern Sie sich an letzten Mittwochabend, Messerstecherei vor einem Pub am Haymarket?«
»Sol Goodyear meinen Sie?«
»Genau.«
»Sein Bruder ist, wie ich höre, zur Zeit leihweise bei Ihnen. Scheint ein anständiger Kerl zu sein. Ich glaube, er geniert sich wegen Sol – und völlig zu Recht. Sol hat schon eine ganz ordentliche Akte beisammen.«
»Und diese Schlägerei, in die er reingeraten ist …?«
»Wenn Sie mich fragen, ging’s um Geld, das ihm einer seiner Kunden schuldete. Der Typ hatte keine Lust zu zahlen, also hat er beschlossen, sich Sol vorzuknöpfen. Wir überlegen uns, einen Mordversuch daraus zu basteln.«
»Todd sagt, sein Bruder war nur eine Nacht im Krankenhaus.«
»Mit acht Stichen an der Seite. Es waren mehr Ratscher als richtige Stiche, er hat also Glück gehabt.«
»Sie haben den Angreifer erwischt?«
»Er will natürlich auf Notwehr hinaus. Heißt Larry Fintry – ›Crazy Larry‹ nennen ihn die Leute. Sollte eigentlich in der Klapsmühle sitzen, wenn Sie mich fragen.«
»Gemeinwesenorientierte Pflege, Shug.«
»Klar, und für die medikamentöse Behandlung sorgt Sol Goodyear.«
»Ich muss mit Sol reden.«
»Wieso denn das?«
»Geht um den Todorow-Mord. Wir glauben, das Mädchen, das die Leiche gefunden hat, war auf dem Weg zu Sol.«
»Mehr als wahrscheinlich«, pflichtete ihr Davidson bei. »Die letzte Adresse, die ich von ihm hab, ist Raeburn Wynd.«
Clarke erstarrte für einen Moment. »Dort haben wir die Leiche gefunden.«
»Ich weiß.« Davidson lachte. »Und wenn Sol sich nicht um dieselbe Zeit am Haymarket hätte niederstechen lassen, hätte ich es möglicherweise schon früher erwähnt.«
Am Ende nahm sie Phyllida Hawes mit. Tibbet hatte ganz verzweifelt geguckt, als befürchtete er, Siobhan hätte schon entschieden, wer sie nach ihrer Beförderung im Sergeantrang ersetzen sollte. Sie hatte es sich gespart, ihn daran zu
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