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Ein Ring aus Asche

Ein Ring aus Asche

Titel: Ein Ring aus Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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niemandem erzählt hatte? Hatte er sie gefunden? Steckte er vielleicht sogar mit ihr unter einer Decke oder hatte er sich auf irgendeine Weise ihrer Kräfte bemächtigt?
    Ouida war sich darüber im Klaren, dass Daedalus sie beobachtete, und schüttelte den Kopf. Sie schottete ihre Gedanken nach außen ab und wusste, dass er sie nicht würde lesen können. Genau wie Daedalus hatte sie ihre Geheimnisse. Sie seufzte. Die Treize war ungefähr so sicher und vertrauenswürdig wie ein Vipernnest.

Kapitel 4
    Rot von ihrem Blut
    Felsen. Wenn Louisiana einen Vorteil gegenüber Irland hatte, dann, dass es dort keine verfluchten Felsbrocken im Erdboden gab. Das Pflügen ging einfach. Der Schlamm war reichhaltig und schwarz, wimmelte nur so vor Leben und wurde vom Delta des Flusses genährt.
    Hier bildete der Boden nur eine dünne Schicht und war von einem blassen Grau. Man konnte nicht zustoßen, ohne auf Felsbrocken um Felsbrocken zu stoßen. Marcel hatte das immer gleiche Grundstück nun schon wie lange bearbeitet? Sieben Jahre? Und doch förderte er jeden Frühling und jeden Herbst wieder tonnenweise Felsgestein zutage, als würde die Erde selbst sie über das Jahr hinweg langsam an die Oberfläche befördern.
    Und wahrscheinlich tat sie das auch.
    Marcel hielt inne und wischte sich mit der groben braunen Wolle seiner Mönchskutte über die verschwitzte Stirn, um sich gleich wieder über seinen handbetriebenen Pflug zu beugen. Erde. Spenderin des Lebens. Gedankenverloren sah er zu, wie die stabile Stahlschar durch den dünnen Torf schnitt und zwei sich kräuselnde Streifen aufwarf. Er hörte das Klirren, als die Pflugschar gegen einen Felsbrocken stieß. Kein Wunder, er war ja auch schon 10 Zentimeter tief vorgedrungen. Er kniete sich hin, um den Brocken herauszuziehen und ihn anschließend zu dem immer größer werdenden Haufen am Rande des Felds zu legen. Man würde ihn später zu einer Mauer verarbeiten, wie den Rest der Steine auch.
    Der Boden war kalt, als seine Finger um den großen Stein herumtasteten. Es war September, bald würde der Winter kommen und mit ihm die Kälte, die eisigen Winde, die vom westlichen Meer bis hierhergetragen wurden. Marcel griff nach dem Brocken, und plötzlich spürte er, wie ihm etwas in den Finger schnitt.
    Er zuckte zusammen, hob die Hand und sah eine alte Glasscherbe darin stecken. Super gemacht. Vorsichtig zog er die Scherbe heraus und war überrascht, wie heftig und plötzlich das Blut aus dem relativ kleinen Schnitt strömte. In Sekunden war es über seine Hand gelaufen und begann, auf den Boden zu tropfen. Er würde besser zur Krankenstation gehen und Bruder Niall etwas dagegen unternehmen lassen.
    Er blickte nach unten. Ohne Vorwarnung wurde Marcel in eine andere Zeit zurückgeschleudert, an einen anderen Ort, in ein anderes Leben.
    Es war dunkel gewesen, hatte in Strömen geregnet, doch bei jedem Blitzschlag hatte Marcel gesehen, wie sich der nasse Grund unter Cerise von ihrem Blut rot färbte. Er schloss die Augen und blinzelte heftig. Er wollte sich nicht erinnern.
    Er hatte sich in sie verliebt. Mit siebzehn Jahren. Sie war vierzehn gewesen und dennoch bereits eine Frau, die der Arbeit einer Frau nachging. Sie hatte ihn lachend verschmäht, gesagt, sie sei noch zu jung, um sich häuslich niederzulassen, sie sei zufrieden zu Hause bei ihrer Mutter und der Schwester.
    Er hatte ihr jahrelang den Hof gemacht, Blumen vor ihrer Türschwelle hinterlassen und frisch erlegte Hasen vor ihrer Küche. Es war leicht gewesen, sie zu lieben, mit ihrem strahlenden, offenen Gesicht und dem goldenen Haar, das aussah wie das Licht der Sonne, das man zu Seide gesponnen hatte. Ihre Augen waren so grün gewesen wie irische Hügel im Frühling und auf ihrer Wange hatte ein kleines rotes Muttermal in Form einer gepressten Blume geprangt.
    Bei ihr zu Hause hatten nur Cerise, ihre Mutter und ihre Schwester gewohnt. Petras Ehemann, Armand, war schon Jahre zuvor nach New Orleans abgehauen. Marcel konnte sich kaum an ihn erinnern. Er war groß gewesen, mit dunklem Haar. Doch sein Gesicht konnte Marcel sich schon nicht mehr vorstellen.
    Im Haus der Martins hatte ein Mann gefehlt, so viel war klar. Marcel hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihr Holz zu hacken und ihre Kuh aus den Wäldern zu treiben. Melita, die ältere Schwester, war so dunkel gewesen wie ihr Vater, auch in anderer Hinsicht. Fast jeder Mann im Dorf hatte ein Auge auf sie geworfen, sie begehrt. Doch nicht Marcel. Cerises helles, sonniges

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