Ein Ring von Tiffany - Roman
du zu mir ins Hotel, wenn du fertig bist?«
»Ist das William?«, fragte er argwöhnisch.
»Nein, Liebling. Ich muss dir leider mitteilen, dass es nicht so etwas Aufregendes wie ein geheimer Liebhaber ist, sondern schlicht meine Mutter.«
»Du gibst also zu, dass es einen geheimen Liebhaber gibt?«
Sie lachte glockenhell und beschloss, dem armen Mann eine Verschnaufpause zu gönnen; außerdem reizte sie das Spiel nicht mal mehr. »Es gibt absolut keinen geheimen Liebhaber. Nur eine brasilianische Mutter über fünfzig, die mir sagen will, was für eine in jeder Hinsicht schreckliche Tochter ich in letzter Zeit gewesen bin.«
»Bis später dann«, sagte er schroff und legte auf.
Adriana holte einmal tief Luft und schaltete um. »Mama! Wie schön, dass du dich meldest.«
»Sag mal, Adi, wo treibst du dich bloß immer herum?«
»Im wörtlichen oder im übertragenen Sinn?«
»Adriana, ich bin nicht zu Späßen aufgelegt«, sagte Mrs. de Souza.
»Stimmt irgendwas nicht?«, fragte sie, wobei sie weder befürchtete, dass ihr Vater einen Herzanfall gehabt hatte oder einer ihrer aberhundert Cousins vorzeitig dahingeschieden war, sondern einzig und allein, dass ihre Eltern einen ausgiebigen Besuch in New York planten.
»Ich habe gerade mit Gerard gesprochen. Er hat gesagt, du wärst heute Morgen mit einem Koffer im Format eines Landrovers aufgebrochen.«
»Du hast bei meinem Portier angerufen, um mir nachzuspionieren?«, platzte Adriana heraus, ohne zu bedenken, dass Tobys Chauffeur jedes Wort mithören konnte. »Wie kannst du es wagen?«
»Ich habe meinen Portier angerufen«, schoss Mrs. de Souza zurück. »Adriana, ich dachte, wir hätten das alles erst vor Kurzem ausführlich besprochen. Dein Vater war über deine Kreditkartenabrechnung im letzten Monat nicht sonderlich erfreut. Sie belief sich, wenn ich mich recht erinnere, auf zehntausend
für Kleidung und Schuhe sowie weitere zehntausend für Reisen und Vergnügen. Wir hatten dich angehalten, sämtliche unnötigen Ausgaben deutlich zu reduzieren, und jetzt schwirrst du schon wieder in der Weltgeschichte herum.«
»Mama! Ich ›schwirre‹ nirgendwo ›herum‹. Rein zufällig bin ich in Los Angeles.« Sie sprach gedämpft durch die vorgehaltene Hand. »Ich treffe mich mit einem Mann. Mit einem sehr geeigneten Mann.« Sie dimmte ihre Stimme zum Flüsterton. »Das sind keine Ausgaben, das ist eine Investition.«
Das schien ihrer Frau Mama den Wind aus den Segeln zu nehmen. Adriana fand es demütigend, dass sie ihren Eltern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war, aber die Wohnung gehörte nun mal ihnen. Sie konnten jederzeit ohne Vorwarnung aufkreuzen und bleiben, solange es ihnen beliebte. Sie konnten bei jedem Dollar nachfragen, den sie für Kleidung oder Kosmetikbehandlungen oder Flüge ausgab - weil schlicht und ergreifend sie es waren, die die Rechnungen bezahlten. Und jetzt, mit fast dreißig, sah sie sich gezwungen, die Existenz von Toby zu rechtfertigen. Ein Glück, dass sonst niemand diese Erniedrigung mitbekam.
»Ach so?«, fragte ihre Mutter. »Und um wen, wenn ich fragen darf, handelt es sich bei diesem Herrn?«
»Ach, nur um einen kleinen Filmregisseur. Der Name Toby Baron sagt dir doch was, oder?«
Adriana hörte ihre Mutter nach Luft schnappen und platzte fast vor Wonne.
»Tobias Baron? Hat er nicht einen Oscar gewonnen?«
»Allerdings. Und war für zwei weitere nominiert. Ja, er ist vermutlich einer der drei einflussreichsten Regisseure, die heutzutage in Hollywood rumlaufen«, brüstete sich Adriana.
»In welcher Beziehung stehst du zu Mr. Baron?«, wollte ihre Mutter wissen.
»Oh, er ist mein Freund .« So sehr sie es auch versuchte, sie konnte das wilde Entzücken in ihrer Stimme nicht verbergen.
»Dein Freund? Adi, querida , du hast seit der siebten Klasse keinen Freund mehr gehabt. Willst du mir damit sagen, dass du dich ausschließlich mit ihm triffst?«
»Haargenau das, Mama«, sagte Adriana. »Tatsächlich war dieser Besuch ganz und gar seine Idee. Er fand es komisch, dass ich nicht zu seinem Leben in Los Angeles gehöre, seine Freunde nicht kenne und nicht weiß, wie es bei ihm zu Hause aussieht.« Wiederum dämpfte sie die Stimme und tauchte mit dem Kopf hinter den Fahrersitz ab. »Ich habe zufällig gehört, dass er in einer absoluten Traumvilla wohnt.«
Offen gestanden hatte sie es nicht nur einfach so gehört: Bei ihren stundenlangen Onlinerecherchen zu Toby war sie auf einen Artikel gestoßen, der rund ein Dutzend
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